Der beste Italiener ausserhalb Italiens.
«Ich bin der beste italienische Koch ausserhalb Italiens», dröhnt es aus dem Fernseher. «Kitchen Impossible-Time». Wieder einmal hat der Fernsehkoch und Landesrüpel Tim Mälzer seinen ewig gleichen Spruch, hämisch grinsend angebracht und nun geht ‚ s an die Challenge.
Möge die Übung gelingen, denke ich mir, und schliesse die Augen. Dieser kleine Satz hat genügt, um meine Gedanken in die Ferne schweifen zu lassen. Ich verlasse die laute Enge der Stadt, überquere den San Bernadino. Allmählich öffnet sich die Landschaft, wird flacher – ich fliege dem Meer entgegen.
Alles ist hier üppig, quasi ausserhalb der Norm. «Profumo! Amore!» Diese Düfte, diese Aromen von Sonne, Meer, Fisch, Espresso, von Liebe liegen in der Luft. Überall geschäftiges Treiben, Geplauder, Geschrei von Kindern, eine Signora stöckelt mit einem Blumenstrauss im Arm über die Piazza. «Ragazzi» lungern auf ihren Vespas. Die Burschen albern herum und sind unbeschwert jung. Niemand kann so verächtlich eine Zigarette ausdrücken, wie ein Italiener in knallengen Jeans und Designer-Sonnenbrille vor der «Bar
Centrale».
Drrrrrrr!!!! Die Türklingel!
Unsanft werde ich aus meinem Traum gerissen. Eine Weinlieferung aus der Toskana. Die kommt mir gerade recht. Ob Sie es glauben oder nicht – in meinen Adern fliesst italienisches Blut! Ich bin quasi Italiener! «Certo»! Und ich bin stolz auf jedes klitzekleine Molekül davon. So wunderbare Stunden habe ich in Italien verbracht – «meraviglioso». Ich bin der beste Italiener ausserhalb Italiens. Schon wieder überkommt mich die Sehnsucht nach dem Land von Sophia Loren und Marcello Mastroianni.
Ich werde Adam heute Abend vorschlagen, dass wir uns einen italienischen Abend gönnen, um das Heimweh abzulegen. Mit selbstgemachter Pasta, mit Prosecco, einem schönen «Antinori» aus der Toskana, Tiramisu oder Canoli mit Pistaziencremefüllung.
… und schon fahre ich in Gedanken in meinem babyblauen Cabrio, auf einem kleinen Strässchen, durch die traumhafte, hügelige Landschaft der Toskana. Weinreben soweit das Auge reicht, Strohballen, Zypressen, Bogainvillea, kleine malerische Orte mit winzigen Steinhäusern und einer Bar. Am Horizont ein burgähnliches Gebäude. Irgendwo bellt ein Hund.
Drrrrrrr!!!! Die Türklingel!
Wieder werde ich grob aus meinen Träumen gerissen. Eine Salumi-Lieferung aus Kalabrien und gleich mitbestellt Olivenöl «Extravergine» von einer kleinen «Fattoria» in der Basilikata.
Das Paket duftet herrlich nach «Prosciutto, Soppressata, Capocollo» und «Salsiccia, fatto in casa», hausgemacht. Ihr »Macellai» Italiens, ich vergöttere euer Handwerk. Ich reisse das Paket auf, sauge gierig dessen Duft ein und bin augenblicklich in dem kleinen Landgasthaus mit dem Wasserrad. Vor lauter Blumen und Terracottatöpfen ist der Eingang kaum zu sehen und eine hübsche gestreifte Markise schützt die Terrasse vor der unerbittlichen Sonne. Es ist viel zu heiss, um zu essen, aber eine Antipastiplatte wird aufgetragen. Die Kellnerin lächelt verschmitzt, als wir entsetzt die Mengen des «Primo» kommentieren. Unermüdlich gluckert das kristallklare Wasser des Bachs, der durch den Gastgarten fliesst, während wir uns durch die Trüffelpasta und das «Tagliata di Manzo« mit Grana kämpfen. Jetzt ein Grappa! Aus der Küche dringt geschäftiges Geklapper.
Drrrrrrr!!!! Die Türklingel!
Barbarisch werde ich aus meinen Traum gerissen. An der Türe unserer Upperclass-Villa übernehme ich eine Lieferung «Mozarella di Buffalo» und Zitronen, direkt aus Neapel.
Der intensive Duft der Zitronengärten an der Amalfiküste dringt in meine überaus sensiblen Riechorgane, setzt sich in meinen Gedanken fest und verbreitet augenblicklich ein Wohlgefühl. Kindlich sanft streichle ich die Zitronen. Mit Andacht geniesse ich gedanklich ein «Caprese», dessen käsig, sahniger Duft der «Burrata» mit Basilikumöl und sonnenreifen «Pomodori» alle Geschmacksknospen mobilisiert.
Auf meiner Zunge schmilzt ein intensives, eiskaltes »Granito di Limone», gekauft bei der roten Ape am Strassenrand. «Buonissimo! Arrivederci!»
Auf den Stufen von Positano geniesse ich dann einen Pistazien-«Affogato» mit Blick auf die Boote, die bunten Strandliegen und Sonnenschirme. Ich habe Sand zwischen meinen Zehen und »Cocco
bello»-Rufe in meinen Lauschern.
Drrrrrrr!!!! Die Türklingel!
Ich höre mich seufzen.
Als an diesem Tag Adam von der Arbeit heimkommt, findet er eine Nachricht in der verwaisten Wohnung. Ciao bello! Du findest mich irgendwo in Italien, die Route steht noch nicht fest, aber es wird herrlich sein!
Das Leben ist schön – La vita é bella!
Copyright Illustration: Manuela Dona