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Doerte Welti

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Der grosse Prinz

BERUF: RENNFAHRER.

Sie kennen Karl Wendlinger nicht? Das ist typisch Er. Der Österreicher galt zu Beginn seiner Rennsportkarriere vor über 30 Jahren als aussergewöhnlich talentiert. Und als aussergewöhnlich schweigsam. Um seine Person hat er nie gross Aufhebens gemacht. Das ist schade. Dürfen wir vorstellen: Karl Wendlinger. Ein moderner Driver und Gentleman.

Rückblende. Belustigtes Glucksen unter den männlichen Kollegen: «Du willst Karl Wendlinger interviewen? Dann mal viel Spass.» Was die Herren der schreibenden Zunft mir vor fast 30 Jahren zwischen den Zeilen mitteilen wollten, war, dass man dem hoffnungsvollen Piloten nachsagte, ihm jedes Wort aus der Nase ziehen zu müssen. Ein schwerer Fall. Ich habe mich damals dennoch im November 1989 auf den weiten Weg gemacht, Karl Wendlinger in Macau zu treffen, wo er einen Lauf der Formel-3-Meisterschaft bestritt, einen Stadtkurs, einer von denen, die Niki Lauda, Landsmann meines Interviewpartners, mal als gleichbedeutend mit «U-Boot Fahren in der Badewanne» verglich. Karl startete damals mit dem Marko RSM Team (dahinter verbirgt sich Dr. Helmut Marko, der heute das Red Bull Formel-1-Team berät und für die Fahrerausbildung zuständig ist) mit einem Formel-3-Auto, in dem ein Alfa-Romeo-Motor steckte. Im Starterfeld waren noch andere klingende Namen der Motorsportzukunft: Mika Häkkinen, Alessandro Zanardi, Gianni Morbidelli, Bertrand Gachot, Heinz-Harald Frentzen und auch Michael Schumacher. Alle, inklusive Karl, schafften es nicht, in den engen Gassen der portugiesischen Enklave das Rennen zu Ende zu fahren. Wendlinger wurde trotzdem Deutscher Meister der Formel 3 in dieser Saison aufgrund seiner hervorragenden Ergebnisse vorher. Wendlinger. Nicht Frentzen, der wurde 2. Und nicht Schumacher, der wurde 3.

AUSTRIAN CONNECTIONS

Das Interview sollte zu einem der eindrücklichsten meiner gesamten schreiberischen Laufbahn werden. Ich traf einen tiefenentspannten 21-Jährigen, der den ganzen Rummel um sich völlig gelassen nahm. Jedes Wort aus der Nase ziehen? Man musste nur die richtigen Fragen stellen. Der als «Kronprinz Karl» und «neuer Lauda» (für die Chronisten: Niki Lauda ist ein Österreichischer Motorsportler, dreimaliger F1-Weltmeister und beendete seine aktive Fahrer-Karriere 1985. Ihm gehören 10 Prozent des Mercedes AMG Petronas F1-Teams, derzeit erholt sich der bald 70-Jährige von einer Lungentransplantation, nötig aufgrund der Spätfolgen seines Horrorcrashs 1976 am Nürburgring, wo er beinahe im Auto verbrannte und Massen an toxischen Dämpfen einatmete) betitelte Sportler erzählte bereitwillig von seiner Kindheit, seinem Leben, seinen Welten, seinen Träumen. Davon, dass seine Mutter Traudi spätestens seit «der Bub mit vier Jahren auf seinem ersten Motorrad gegen die Tür der Werkstatt fuhr und durch die Scheibe flog» wusste, dass er nicht aufzuhalten sei. Die Eltern besassen eine Autowerkstatt zu der Zeit, Vater Karl Senior fuhr selber 20 Jahre Rennen, der Apfel fällt nicht weit von der Hebebühne. Mit 15 bekam Karl Junior das erste Kart, fuhr in der POP-Juniorenklasse, wurde 1984 Süddeutscher Kart-Juniorenmeister, 1986 Österreichischer Kart-Vizemeister. Ein Talent, das eben auch dem Österreicher Dr. Marko auffiel, der früher selbst Formel 1 fuhr und in Graz ein Hotel besass. Zusammen mit Formel-1-Pilot Gerhard Berger, ebenfalls Österreicher, der den jungen Freund mit Tipps versorgte, half er, die Karriere Karls zu forcieren.

SCHNELLE SCHULE

Zum Aufbauprogramm gehörte ein Testvertrag mit Mercedes. L-Team nannten sie es damals, drei Nachwuchspiloten wurden bei der Schweizer Rennwagenschmiede von Peter Sauber in der Sportwagenweltmeisterschaft Gruppe C drei alten Hasen an die Seite gestellt. Karls Kollegen: Fritz Kreuzpointner und Michael Schumacher. Der «Lehrer»: Motorsportlegende Jochen Mass. Ab da ging’s zügig voran mit der Karriere, das Experiment in der Gruppe C war erfolgreich, Wendlinger gewann sogar 1990 ein Rennen der World Sportscar Championship in Spa. Der stille Typ fiel auf, gewann im nächsten Jahr erneut und empfahl sich für die Formel 1, noch Ende Saison 1991 fuhr er sein Debut beim Team Leyton House am Grand Prix von Japan.

LEBEN ALS RENNFAHRER

Schnitt. Spätsommer 2018. Dass Karl Wendlinger in Arosa am Arosa ClassicCar Event vor mir steht, ist irgendwie nicht selbstverständlich. 1994 verunglückte er beim Training zum Formel-1-Rennen in Monaco schwer. An einem Rennwochenende, das sowieso schon nicht unter business as usual gelaufen war. Am F1-Rennwochenende zuvor in Imola hatte am Freitag der Brasilianer Rubens Barricello einen gigantischen Unfall wie durch ein Wunder nur leicht verletzt überlebt. Am Traingssamstag aber verunglückte Roland Ratzenberger, ein Landsmann von Karl, tödlich und am Renntag selbst Ayrton Senna. Ebenfalls tödlich. Der ganze Formel-1-Zirkus stand elf Tage später in Monaco immer noch unter Schock und musste jetzt zusehen, wie Karl Wendlinger mit seinem Sauber Formel-1-Boliden in einer Absperrung einschlug. Der, der immer gedacht hatte «Mir passiert nix!» überlebte den Unfall zwar, wurde aber mit seinen massiven Hirnschäden in ein künstliches Koma versetzt. Und findet rückwirkend beurteilt nur langsam zurück ins Leben. Karl selbst war die Ungeduld in Person. Wie ihn schon als Kind ein Flug durchs heimatliche Garagenfenster nicht stoppen konnte, wollte er auch jetzt nur eines: so schnell wie möglich wieder ins Auto. «Von aussen betrachtet war es ein Schmarrn damals», rekapituliert Wendlinger heute, «im Juni, also nur wenige Wochen nach dem Unfall, habe ich meine Eltern noch nicht wiedererkannt und im September bereits wieder im Rennauto gesessen.» Kundige Therapeuten, allen voran Professor Willi Dungl († 2002) leisteten ganze Arbeit, spätestens seitdem spult Karl brav sein Fitnessprogramm ab, früher hat er Sport als solches nicht gern gehabt. Sein Team hatte dem Rastlosen den Platz im Boliden frei-gehalten. «Aber meine Konzentrationsfähigkeit war schlecht in 1995», gibt Karl Wendlinger heute zu. Und sein Teamkollege beim Sauber Mercedes Formel-1-Team, Heinz Harald Frentzen, fuhr die besseren Rundenzeiten, dazu kam noch, dass der grossgewachsene Wendlinger einen Gewichtsnachteil gegenüber dem kleineren Frentzen hatte. Die Formel-1-Laufbahn ging zu Ende, Karl stieg um auf Tourenwagen. «1997 konnte ich mein komplettes Potenzial wieder abrufen», sagt Karl Wendlinger, das ist jetzt über 20 Jahre her. Jahre, in denen er in diversen Motorsportmeisterschaften weltweit fuhr, Jahre, in denen er auch seine langjährige Freundin Sophie geheiratet hat und zwei Kids in die Welt setzte, der Sohn ist heute 18, die Tochter 21 Jahre alt. Die Wendlinger Jungmannschaft hat nicht das Renn-Gen, der Vater unterstützt sie trotzdem in allem, was sie machen wollen. «Wie meine Eltern mich unterstützt haben», so einfach ist das. Im Fall des Sohnes ist das der Fussball, Jonas Wendlinger spielt beim 1. FC Nürnberg in der Deutschen U19.

BOTSCHAFTER UND GENTLEMAN

Karl Wendlinger ist gesprächig hier in Arosa, kein Vergleich mit dem zurückhaltenden Junior, der er vor fast 30 Jahren war. Er erzählt vom Geschäft seiner Eltern, dass er inzwischen die Werkstatt in Kufstein übernommen hat, und immer noch dort lebt. Er ist angereist als Markenbotschafter für IWC, pilotiert einen Mercedes-Benz 300 SL Flügeltürer des IWC Racing-Teams, Teammitglied ist er allerdings nicht, noch nicht, er ist praktisch ausgeliehen, einen Vertrag hat er mit AMG Mercedes. Zu so einem Event gehören auch Taxifahrten, ein paar Auserwählte durften mit Karl Wendlinger in dem einzigartigen Flügeltürer die über 7 Kilometer lange Bergrennstrecke abfahren. Das Wetter ist schlecht, es schneit und regnet im Wechsel, obwohl es erst Ende Sommer ist, den «Karli» wie ihn seine Fans gerne nennen, kümmert das nicht. Motorsport ist sein Beruf, seine Berufung, niemals wollte er etwas anderes machen. Kommt man nicht ins Grübeln, auch nicht nach so einem eigenen Horrorcrash? «Man hat seinen Weg und da kommt man nicht raus», versucht Karl Wendlinger eine Erklärung und faltet seine 1,85 Meter elegant in den silbrigen Mercedes-Benz Oldtimer. «Aber man kann es positiv gestalten.» Was er zweifelsohne tut.

FOLLOW KARL WENDLINGER AUF INSTAGRAM: @KARLWENDLINGER

Photos Copyrights: © Dörte Welti, Pauli Mathieu Bonnevie, Dörte Welti, Pauli

SPEZIFIKATION DES SL MERCEDES-BENZ 300 SL «GULLWING»

Baujahr : 1955
Motorleistung: 215 PS
Viergang-Schaltgetriebe
Das Auto (und ein Schwestermodell) wird von HK-Engineering in Polling (D) für das Mercedes-Benz Classic Center liebevoll vorbereitet.

Es wird Zeitz!

Zum Glück gibts es mehr und mehr hochrangige Manager und CEO’s, die sich für das Wohl unseres Planeten , den einzigen, den wir haben, tatkräftig engagieren und nicht nur darüber reden, was man alles machen müsste. Die Vielseitigkeit und Konsequenz der engagements von Jochen Zeitz ist jedoch ziemlich einzigartig. Vor vier Jahren hat unsere Autorin Dörte Welt ihn zum ersten mal zu seinen Intentionen interviewt, jetzt hat sie nachgefragt.

Jochen Zeitz, vor vier Jahren sprachen wir darüber, dass in Zukunft Unternehmen generell eine Ökobilanz ausweisen sollen. Hier nochmals Ihre Erklärung, wie man sich das vorstellen muss:

Jochen Zeitz: Bis ein Produkt auf den Markt kommt und schlussendlich vom Verbraucher gekauft und genutzt wird, beansprucht der Hersteller Wasser, nutzt Land, Luft und produziert Abfall und Schadstoffe wie Kohlenstoffdioxid (CO2). Diese Elemente müssen in ein messbares Verhältnis gesetzt und mit einem monetären Wert transparent gemessen werden. In der Summe erhalten wir so eine Ökobilanz, deren Grundlage für alle gleich ist und die am Ende eines Jahres wie die Geschäftszahlen auch ausgewiesen werden könnte. Sozusagen den Umweltabdruck in Euro und Cent.

Sie haben bei unserem Gespräch vor vier Jahren den Wunsch geäussert, dass es gelingen möge, einen Standard einzuführen, der möglichst gesetzlich verankert sein sollte. Was ist aus dem Wunsch geworden?

Im Rahmen des Möglichen gibt es Fortschritte, aber auch Rückschritte, eine Standardisierung muss über die politische Schiene geschehen und da gibt es im Moment noch wenig Bewegung. Wir merken in unserer Arbeit auch, dass der Mensch unheimlich auf sich selbst fokussiert ist. Wir überlegen im Allgemeinen immer erst, was Änderungen im Verhalten oder radikale Massnahmen für uns selbst bedeuten, bevor wir über den Rest der Welt nachdenken.

Das klingt ein wenig ernüchternd…

Nein, gar nicht, ich schaue nach vorne nicht zurück, grosse kulturelle Änderungen brauchen immer ihre Zeit. Ich habe vor vier Jahren gesagt, dass ich hoffe, dass unsere Generation es noch erlebt, dass Unternehmen die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen, bevor der Welt die Luft ausgeht. Es ist wichtig, dass wir nicht abwarten, bis etwas passiert, wir müssen schnell handeln. Die Zeit bleibt nicht stehen, wir müssen den Begriff „bewusst leben“ auch wirklich leben, die Umwelt verändert sich schneller und schneller. Ich bin immer noch überzeugt von dem, was ich tue und wie ich es tue. Ich denke, so kann man auch etwas erreichen, wenn man aus voller Überzeugung mit positivem Drang nach vorne handelt und sieht, was alles machbar ist.

„NATUR IST UNSER KAPITAL, WIR MÜSSEN SIE NUR GENAU SO BEMESSEN, WIE WIR ES AUCH MIT ANDEREN WERTEN IN UNTERNEHMEN TUN.“

Müssen Sie die Wünsche und Pläne von vor vier Jahren revidieren?

Teilweise. Wir haben es noch nicht geschafft, einen einheitlichen Standard für die EP&L zu denieren, was meine Hoffnung für 2020 war. aber immerhin geben viele Firmen heute ihre eigene Umweltbewertung ab. da sind Organisationen wie das WBCdS* oder die SdG**, die heute Business als integralen Bestandteil für die Lösung der grössten Probleme auf dem Planeten Erde integrieren und ansehen. das Klimaabkommen wird auch weltweit umgesetzt und daran wird auch Donald Trump nichts ändern können, denn viele Staaten innerhalb der USA gehen den richtigen Weg in dieser Sicht konsequent weiter.

Die Ökobilanz ist ja aber nicht nur für grosse Firmen ein Thema, sie sollte ja auch umsetzbar sein für jedes KMU und kleinere Businesses. Können Sie uns erklären, wie genau das funktionieren kann?

Indem man qualitativ und quantitativ für die Elemente, die wir alle nutzen, egal ob wir Schuhe, Autos oder Bonbons produzieren, messbare Werte einführt. Es ist schon mal gut, dass jetzt überhaupt über Ökobilanz nachgedacht wird und dass jeder es erst einmal so macht, wie er denkt. Im Laufe der Zeit findet man dann heraus, was wichtig und was nicht so wichtig ist. Es kann auch passieren, dass ein Unternehmen feststellt, dass die Produktion mit einer neuen Supply Chain unter ökologischen Bedingungen nicht funktioniert. Wenn ich zum Beispiel ein Produzent bin, der zu viel Wasser an einem Punkt verbraucht, dann muss ich an genau der Stelle ansetzen und was ändern. Kleinere Unternehmen könnten sich an den Erfahrungen grösserer orientieren, man muss das Rad nicht jeweils neu erfinden. Was man nicht misst, also in Zahlen und Werten, managt man auch nicht oder man verbessert an der falschen Stelle. Dann bleibt Ökobilanz ein abstrakter Begriff. Natur ist unser Kapital, wir müssen sie nur genau so bemessen, wie wir es auch mit anderen Werten in Unternehmen tun. Die Liebe zur Natur allein reicht nicht, denn die löst die Probleme nicht, die wir geschaffen haben.

Warum haben Sie Kering als aktives Aufsichtsratsmitglied verlassen?

Gerade die Luxusmarken könnten doch vorbildlich agieren und Sogwirkung auf andere und vor allem auch Kunden haben, ein Umdenken einzuläuten?
Eine Prämisse im Board von Kering ist, 50:50 Parität zu haben. Wenn Frauen dazu kommen, gehen Männer von Bord sozusagen, meine Zeit dort war mit zwei anderen Kollegen damit abgelaufen. Ich hoffe, andere folgen dem Vorreiter Kering in diesem Schritt.

Warum haben Sie Kering als aktives Aufsichtsratsmitglied verlassen?

Gerade die Luxusmarken könnten doch vorbildlich agieren und Sogwirkung auf andere und vor allem auch Kunden haben, ein Umdenken einzuläuten?
Eine Prämisse im Board von Kering ist, 50:50 Parität zu haben. Wenn Frauen dazu kommen, gehen Männer von Bord sozusagen, meine Zeit dort war mit zwei anderen Kollegen damit abgelaufen. Ich hoffe, andere folgen dem Vorreiter Kering in diesem Schritt.

Und jetzt, mit einer Familie – wird sich Ihr Aktionsradius verändern?

Wie bisher werde ich jeden möglichen Tag mit der Familie bewusst verbringen, so bewusst es geht leben. Es herrscht eine unglaubliche Beschleunigung der Vorgänge aufgrund der sich ständig entwickelnden Technologien. Und es gibt mehr Menschen auf der Welt, die natürlich auch mehr Probleme haben und aufwerfen. Die kulturelle Shift geht nicht ganz so schnell wie die technologische, da ist noch viel zu tun. Ganz konkret heisst das für mich, Segera, das Zeitz MOCAA, The Long Run, das B Team und meine verschiedenen Aufsichtsratstätigkeiten in Unter-
nehmen und anderen Not for Profits. „Niemand kann alles machen, aber jeder kann etwas tun“, lautet die Weisheit eines Bekannten (Johann Ernst Nilson). Das unterschreibe ich. Ich mache so viel wie möglich mit dem Ziel, langfristig so gut es geht einen positiven Beitrag zu leisten.

Es gibt sehr viele Möglichkeiten, die Institutionen und Organisationen zu unterstützen, die Jochen Zeitz bewegen, oder ihnen zumindest zu folgen. Hier eine kleine Auswahl an Webseiten, die es sich anzuschauen lohnt:

www.zeitzfoundation.org
www.segera.com
https://zeitzmocaa.museum
www.thelongrun.org
www.bteam.org

*WBCDS ist eine globale CEO-geführte Organisation von über 200 führenden Unternehmen, die gemeinsam daran arbeiten, den Übergang in eine nachhaltig orientierte Welt zu beschleunigen.
**SDG steht für Sustainable Development Goals.

Weitsicht: Conservation, Community, Culture und Commerce sind die vier Cs und Eckpfeiler der 2012 eröffneten Segera. Jochen Zeitz ist davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit gewährleistet ist, wenn alle vier Cs im Einklang sind.

JOCHEN ZEITZ – BIOGRAFIE

Ein so prall gefülltes Leben in Kürze aufzulisten, ist unmöglich. Hier also nur die öffentlich bekannten, wichtigsten Stationen.Jochen Zeitz ist gebürtiger Deutscher. Er studierte International Marketing and Finance in Deutschland, Frankreich und den USA, machte seinen Bachelor 1986 an der European Business School. Mit 30 übernahm er als damals jüngster CEO in Deutschland die Firma Puma als Vorsitzender und CEO und führte 18 Jahre lang das Sportartikelunternehmen in eine erfolgreiche Zukunft. In der Folge amtete Jochen Zeitz als Aufsichtsratsmitglied von Kering (Mutterkonzern diverser Luxusmarken wie z. B. Gucci), leitete dort das Sustainability-Programm und entwickelt den EP & L, den Environmental Profit & Loss Account. Er gründete die Zeitz Foundation und die Long Run-Initiative, eröffnete 2012 das Segera Retreat in Kenya. 2013 gründet Jochen Zeitz gemeinsam mit Sir Richard Branson und vielen Top-Businessleuten aus aller Welt das The B Team. Er ist aktuell Board Member von Cranemere und Harley Davidson, Letztere haben gerade ihre Produktrange mit elektrisch angetriebenen Motorrädern erweitert. 2013 begann auch die Konstruktion von Zeitz MOCAA, das weltweit grösste und erste Museum für zeitgenössische afrikanische Kunst in Kapstadt in Südafrika, Eröffnung war Ende 2017 (zu den Patrons gehören Robert Redford, Morgan Freeman, auch der jüngst verstorbene Kofi Annan gehörte dazu). Die Liste der Organisationen, die er unterstützt, ist sehr lang, er hat Bücher geschrieben und diverse Awards gewonnen. Jochen Zeitz reist viel, lebt mit seiner Frau Kate Garwood und Kids in Kenya, England und den USA.

Wandel: Das MOCAA entstand in einem alten Kornsilo und bietet 9’500 m2 Platz für zeitgenössische afrikanische Kunst.

Photos Copyrights: Wianelle Briers, Crookes and Jackson, MOCAA

Mode aus Liebe

Es ist tatsächlich schon zehn Jahre her: AM 1. Juni 2008 verstarb Modedesigner Yves Saint Laurent. Seine Kreationen sind pure Wertschätzung der Frau, Stoff gewordene Bewunderung und Ausdruck tiefer Einblicke in geheime Phantasien. Ein Annäherungsversuch.

Er sei ein bisschen ein Künstler, wird Yves Mathieu-Saint- Laurent zitiert, aber wenn er genau nachdenke, eher nicht nur ein bisschen. Diese kleine Anekdote* ist vielleicht das ehrlichste, was man über den in Oran in Algerien geborenen Designer finden kann. Yves wächst unter vielen Frauen auf, mit zwei Schwestern, Mutter und Grossmutter, der schlaksige Jüngling entdeckt en passant früh die sinnliche Welt der Modemagazine, der Düfte, der knisternden Stoffe und opulenter Farben. Sein Vater ist Versicherungsangestellter, die Eltern beide nachfahren von nach Algerien geflüchteten Elsass-Lothringern. Man kann sich vorstellen, wie der Junge in einer Mischung aus Konventionen und der Ahnung einer schillernden Welt aufwächst. Er ist künstlerisch begabt, schwärmt für Christian Dior, zeichnet gerne und bemerkenswert, darf 1953 mit 17 Jahren nach Paris ziehen, um dort im chambre Syndicale, dem herz der französischen coutureszene, seine Ausbildung zum Mode- und Bühnenzeichner zu absolvieren.

Dieser «Move», wie man es im heutigen Businessleben nennen würde, hat in atemberaubender Geschwindigkeit Folgen. noch im ersten Jahr reicht der Student Modezeichnungen bei dem damals einzigen internationalen Wettbewerb ein, den die Branche zu bieten hat, dem Modepreis des Internationalen Wollsekretariats**.

Er bekommt respektable Anerkennung, im Jahr darauf gewinnt Yves Mathieu-Saint-Laurent den ersten und dritten Preis, zweiter wird ein weiteres Genie, das die Modewelt bis heute in Atem hält: der Deutsche Karl Otto Lagerfeld. Für den jungen Franzosen wird ein Traum wahr: Er darf bei christian Dior arbeiten, der Modezar in den besten Jahren nimmt den Jüngling als Assistent unter seine Fittiche. Yves ist 21 Jahre alt, als der Grand Monsieur nur 52-jährig stirbt, und er zum Nachfolger und damit creative Director der mondänen Maison ernannt wird.

Der Exot aus Oran startet durch. Mit Bedacht, er wird ein Meister der subtilen Sensationen. Erst folgt er noch der berühmten Dior-Linie, beweist seinem Ziehvater Respekt und Treue, indem er brav nach dessen Façon die neuen Kollektionen entwirft. Schnell aber bricht sich seine eigene Vorstellung Bahn, die ersten Dior-fernen Modelle entstehen und das haus Dior sieht von einer weiteren Zusammenarbeit ab. Kein Beinbruch für den schönen Mann, der in Pierre Bergé einen Partner gefunden hat, mit dem er zuerst auf intimer privater Ebene, für den Rest seines Lebens aber auf einer intellektuellen und beruflichen Basis die perfekte Symbiose eingeht. 1961 gründet das Duo Yves Saint Laurent, das Modelabel, das bis heute Bestand hat. YSL hätte auch MSL werden können, in frühen Dessins hob Yves Mathieu- Saint-Laurent die Anfangsbuchstaben seines edlen Nachnamens gerne explizit hervor.

Yves Saint Laurent spielt mit den Geschlechterrollen, legendär sein erster Smoking für Frauen 1966. Gleichzeitig erhebt er die Frauen zu Göttinen gleichen Wesen in seinen kunstvollen De lée- und Foto-Inszenierungen, arbeitet parallel an Theaterproduktionen mit und kreiert so die perfekte Mischung von Bühne, Drama, Traum und realer Mode. YSL ist revolutionär, provokativ, ohne obszön zu werden, selbst spärlich bedeckte Frauen bleiben immer unfassbar elegant. Die umwerfendsten Stars tragen das Label, Frauen, die so unnahbar und trotzdem verletzlich sind wie der Maestro selbst. Bianca Jagger, die kühle Catherine Deneuve, Marisa Berenson wird zur Muse, in der jüngeren Zeit sind es Ikonen wie Carla Bruni und Kate Moss, die für die rebellische Eleganz stehen.
Unvergessen die Rive-Gauche-Linie, die ab Mitte der 1960er-Jahre die arrivierte Szene erstaunte, weil sich der Revoluzzer getraute, neben Haute Couture eine Ready-to-Wear-Mode zu lancieren. Er wolle den Frauen Selbstsicherheit geben und sie unterstützen, nicht nur schmücken, wird Saint-Laurent zitiert. Mission accomplished.

Yves Saint Laurent gehörte übrigens zu den führenden cou- turiers, die sich für ihre Kollektionen zu weiten Teilen auf die exquisite Qualität Schweizer Stoffe verlassen. Das Zürcher Seidenunternehmen Abraham und dabei vor allem der Chefdesigner Gustav Zumsteg hatten eine sehr enge Verbindung zu Yves Saint-Laurent als Mann und als Designer. Zumsteg, der auch für Dior entwarf, traf den newcomer anlässlich der Beerdigung von christian Dior. Die Kooperation von Zumsteg und Saint Laurent wurde intensiv, Stoffdesigner und Couturier inspirierten und bewunderten sich gegenseitig. Zumsteg und Saint-Laurent teilten die Liebe zur Kunst, der Modedesigner inszenierte seine Models gerne in prachtvollem Art-Ambiente und brachte Referenzen berühmter Maler in seine Mode ein. Die Stoffe dazu hatte der begeisterte Kunstsammler Zumsteg ebenfalls inspiriert von Meilensteinen der Kunst entworfen.***

Den Couturier Saint-Laurent umweht zeitlebens ein hauch Tragik, bei allem Erfolg und der Liebe der Beautiful People zu ihm und seinen Werken wirkt er irgendwie verloren. Er inszeniert 2002 seinen Abschied vom Laufsteg mit einem gi- gantischen De lée im centre Pompidou in Paris, 2’000 Gäste erweisen dem sichtlich erschöpften Mann die Ehre, die A-List der Topmodels führt die Meilensteine der von ihm gesetzten Trends vor: Smoking, Jumpsuit, Safari-Look, Russischer Style, china-Look, die durchsichtige Bluse und vieles mehr. Im sel- ben Jahr gründet sich die Fondation Pierre Bergé – Yves Saint Laurent, die zum Ziel hat, das Lebenswerk des Meisters zu erhalten und zu promoten. Auch heute, zehn Jahre nach seinem Tod, 60 Jahre nach seiner ersten eigenen Kollektion 1958, verändert es einen, wenn man in ein YSL-Kostüm, ein Kleid oder schon nur einen Bleistiftrock steigt. Irgendwie streckt man sich, man wird stolzer, bekommt ein erhabenes Gefühl. Man kann sicher sein, angezogen zu wirken, ein Bewusstsein, das wahrlich nur ganz wenigen Kreationen innewohnt heutzutage. Und vielleicht gibt es eine ganz simple Erklärung, ein Zitat von Monsieur Laurent selbst: «Das schönste Kleidungsstück für eine Frau sind die Arme des Mannes, den sie liebt. Für die, die dieses Glück nicht haben, bin ich da.» Liebe genäht. Glücklich die, welche die Mode des Ausnahmetalents aus seiner aktiven Zeit besitzen, manchmal wird man in Luxus-Vintageshops fün- dig und entdeckt ein gut erhaltenes Teil. Ein Stück Selbstbestimmung zum Anziehen. Versuchen Sie’s.

PS: Unbedingt die Yves-Saint-Laurent-Museen in Paris und Marrakesch besuchen. Pierre Bergé, der seine grosse Liebe um 9 1⁄2 Jahre überlebte, hat es geschafft, das Lebenswerk Yves Mathieu-Saint-Laurents angemessen zu inszenieren. Unfair, dass er die Eröffnung in Marokko nicht mehr erleben durfte, er starb drei Wochen davor. Die Tragödie gibt nie auf.

www.museeyslparis.com

*Quelle: All about Yves von Catherine Örmen, ein wun- derschön aufwendig gestaltetes Buch, herausgegeben von der foundation Pierre Bergé Yves Saint Laurent. Verlag www.laurenceking.com

** Das Internationale Wollsekretariat IWS wurde 1937 mit Sitz in London gegründet, um den weltweit verstreuten Woll- produzenten die Möglichkeit zu geben, ihre Produkte ge- meinsam zu vermarkten und zu zerti zieren. Heute heisst die Vereinigung The Woolmark Company, gehört zur Australian Wool Innovation, unterhält lokale Büros auf der ganzen Welt und schreibt immer noch einen begehrten Mode- und Innova- tionspreis aus, den International Woolmark Prize.

*** Plakative Beispiele: Die YSL foulards. Die Swiss Textile Collection STC widmet in ihrem Schaulager in Murg derzeit eine Ausstellung den Entwürfen einer Mitarbeiterin aus dem Hause Abraham, die für Gustav Zumsteg arbeitete und über 1’000 foulards entwarf. 250 wunderbare Exponate, einge- rahmt von der Mode des Meisters aus dem Archiv der Hau- te-Couture-Sammlung der STC. Noch bis Ende März 2018, www.swisstextilecollection.ch