„Ich finde es hier sehr geil.“ Clueso beim Einchecken im „Hotel California“

Popstar Clueso (41), der durch seine Zusammenarbeit mit Udo Lindenberg und den Fantastischen Vier einem breiten Publikum bekannt wurde, über sein James-Bond-„Album“, das Formatieren seiner Festplatte, seinen Blick auf Zürich und die Vorliebe fürs Chillen in der Badewanne.

Sie bezeichnen «Album» als das Resultat Ihrer Ambition, einen eigenen James Bond zu machen. Welcher Hauptdarsteller war Ihr Favorit, bevor Sie kamen?
(Lacht) Ich wollte mit dieser Ansage ausdrücken, dass ich einen musikalischen Blockbuster machen wollte, der – wie ein Bond-Film – für jeden Geschmack etwas zu bieten hat. Ich finde Sean Connery immer noch den Coolsten aller Bonds. Roger Moore war auch cool, aber er hatte immer etwas von einem Opi, der Girls «begrabscht». In den alten Bond-Streifen gab es noch andere Sachen, die heute NoGos wären.

Welches sind die Action- und welches die Liebesszenen auf «Album»?
Da muss ich erstmal drüber nachdenken… «Leider Berlin» und «Flugmodus» sorgen für Action. Wir haben gerade das grösste Live-Konzert in Deutschland gespielt, 7’000 Leute waren da. Ohne Maske. 2G oder 3G? Ich weiss immer nicht, was was ist. (Lacht) Jedenfalls habe ich dort gemerkt, dass die Songs tierisch abgehen. Die Liebesszenen fangen mit «Sehnsucht …» an. Ich finde es eine schöne Geschichte, dass man beim Chatten über eine App ein Gefühl erzeugen kann, obwohl sämtliche Sinne aussen vor sind. Aber so verknallt man sich 2021. Der heftigste Moment ist «Alles zu seiner Zeit». Ich habe den Song zwar selber geschrieben, kann aber nicht sagen, wann mir was passiert ist. Ich habe für den Text auch nur zwanzig Minuten gebraucht.

Viele Hits werden schnell geschrieben …
Das ist eine Legende, aber sie stimmt! Nachher schaute ich an die Wand und dachte: «Cool, dass ich dabei war!» (Schmunzelt) Wenn ich das Lied jetzt singe, sind die Leute total Ohr. Ich mag das sehr. Es ist die einzige elegische Ballade auf dem Album. Die Frage «Was wäre, wenn …» beschäftigt mich, weil ich in meinem Beruf so viele Menschen kennenlerne. Jeder könnte ein Freund oder Freundin werden.

Mit «Flugmodus» und «37 Grad im Paradies», den ersten Songs des Albums, hebt man ab. «Hotel California» handelt dann wie der gleichnamige EaglesTitel eher von der dunklen Seite des amerikanischen Traums.
Das entspricht dem, was ich im Musikbusiness erlebt habe, seitdem ich 19 bin und einen Plattendeal erhielt. Ich habe alles angeboten bekommen, was es an Betäubungs- und Aufputschmitteln so gibt, auch von Leuten, die wohl dachten: «Jetzt mach ich mal den Clüsen platt!» (Lacht) Glücklicherweise habe ich als Kind mal Tabletten gefunden und gefressen. Danach ging’s mir so mies, dass ich von allem die Finger gelassen habe, ausser vom Kiffen und vom Alkohol.

Ab und zu die Festplatte neu zu formatieren, nehme ich mir sogar vor. Sonst habe ich jedoch immer die Kontrolle behalten.

Alles andere könnte einem ja auch die Karriere kosten, oder mehr.
Grundsätzlich finde ich jedoch beides faszinierend: Wenn jemand verbrennt wie Jim Morrison und wenn jemand mit sich im Einklang ist wie Sting. In Los Angeles bin ich in Studios gekommen, wo zwanzig Rapper in den Gesangskabinen hingen und auf dem Tisch vierzig Hustensaftflaschen standen. Die Typen waren kaum ansprechbar. Hauptsächlich geht es in dem Lied jedoch darum, dass es, wenn man angeschossen ist, etwa nach dem Ende einer Beziehung, ein bisschen Zerstreuung braucht. Dann checkt man im «Hotel California» ein.

In «Punkt und Komma» realisieren Sie in der Ferne, dass Ihre Liebesgeschichte zu Hause auserzählt ist. In «Alles zu seiner Zeit» singen Sie, dass Sie noch kein Liebeslied geschrieben haben, das gut ausgeht». Wie gehen Sie damit um?
Ich bin viel unterwegs und meine erste Liebe ist die Musik. Das ist schon mal schwierig. Ich verstehe aber, dass es die Leute wahnsinnig interessiert, was in meinem Privatleben passiert. Ich versuche es jedoch zu schützen. Ich rede wenig darüber, verarbeite es lieber in meinen Liedern. Die Besten sind meistens autobiografisch, weil einen das Erzählte dann am stärksten berührt. Ausserdem finde ich Beziehungen, die nicht funktionieren, interessanter. Beim Musikmachen liebe ich die Melancholie extrem!

Sie geben am 31. Januar 2022 ein Konzert im Volkshaus. Wie gut kennen Sie Zürich?
Ein bisschen. Ich muss immer noch rumgeführt werden. Die ersten Konzerte gab ich im Kaufleuten. Wir waren sehr hin- und hergerissen, weil wir eine sehr alternative Clique waren und mit dem Schickimicki von Zürich erst mal klarkommen mussten. Dann hat man uns die Club-Szene gezeigt, die uns als Thüringer doch ein wenig überrascht hat. Das ist nun bestimmt 15 Jahre her. Ich finde es hier sehr geil und habe es mir zum Ende meiner Promotour eingerichtet, dass ich zwei, drei Tage anhängen und ein bisschen am See spazieren gehen konnte. Ich hatte es nötig, denn die Monate zuvor waren Schraubstock.

Wie geniessen Sie Ihre Freizeit sonst noch?
Wenn ich im Hotelzimmer eine Badewanne sehe, muss ich mich da reinlegen. Es kann auch morgens sein! Dann schalte ich alte Serien ein wie «Star Trek», wo es mir nur um die Stimmung geht und ich nicht hingucken muss, oder ich lasse Musik laufen. Ich gehe auch gerne in die Sauna. Ich habe mir sogar eine ins Studio einbauen lassen, da es mir peinlich ist, wenn Leute mich erkennen und «Cello» hinterherrufen. Oder ich nehme eine Gitarre und dudle vor mich hin. Für niemanden. Die Musik verliert sich im Nichts. Das ist pure Entspannung.

Fotos: Sony Music