Weltweit kennt man seinen Namen, wer jedoch hinter dem Streetartkünstler Banksy steckt, wissen wenige. Die, die es wirklich wissen, schweigen. Und er selbst? Er gibt den Menschen Grüne, um über ihn zu reden …

Eine lange Menschenschlange steht vor der Halle 622b in Zürich-Oerlikon. Menschen voller Vorfreude, neugierige Menschen. Denn sie alle wollen sich die aktuelle Ausstellung mit rund 150 Werke, des derzeit teuersten Künstlers der Gegenwart anschauen. Die Rede ist von Banksy. International bekannt als einer der besten Streetart-Künstler der Welt. Und ein Mysterium. Bis heute gibt es nur Spekulationen, wer hinter den Schablonen-Graffitis mit dem riesigen Wiedererkennungswert steckt. Da passt es auch, dass die Ausstellung in Zürich den Titel «The Mystery of Banksy – a genius mind. The unauthorized exhibitation» trägt. Denn wo ein Urheber nicht offiziell auf seine Rechte besteht, da ist das mit der Autorisierung schwierig. Banksy ist ein Phänomen. Eines mit Einfluss.

Ab Tag 1 ein Ausnahmetalent

Er ist eine Ausnahmeerscheinung und seine über Jahrzehnte gewahrte Anonymität potenziert das natürlich noch. Zudem ist er absolut direkt. Seine Kunst zeigt sich stets gesellschaftskritisch – und das ab Tag 1. So tauchten die ersten Werke bereits in den 1990er-Jahren im englischen Bristol auf. Zunächst arbeitete Banksy hier mit anderen Graffiti-Künstlern zusammen. Dann entdeckte er dank seines Künstlerkollegen «3D» die Schablonenkunst. Oder um es mit seinen eigenen Worten aus einem anonym geführten Interview zu sagen: «Als ich etwa zehn Jahre alt war, brachte ein Junge namens 3D als erster die Sprühfarben nach Bristol. Ich bin also damit aufgewachsen, und Graffiti war, was wir alle in der Schule liebten und auf dem Heimweg von der Schule taten.»

In einer Nacht im Jahr 1997 entstand sein erstes grosses Wandbild. Der Titel: «The Mild Mild West». Es handelte sich dabei um ein Bild, auf dem ein gigantischer Teddybär einen Molotow-Cocktail auf drei Polizisten wirft. Die Legende Banksy war erwacht. Und jedem war klar, dieser Künstler versteckt sich zwar hinter einem Pseudonym, aber kaum jemand prangert so offensichtlich Kapitalismus, Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, Kulturen an wie er – und die Menschen feiern das, zumindest ein Grossteil. Da beleuchten die ersten Sonnenstrahlen am Morgen plötzlich knutschende Polizisten in Soho, ein Mädchen mit einer Gasmaske in Barcelona oder eine Schere auf einer Grenzmauer in Israel. Zynischer Witz, gepaart mit Humor, wie sein Stil gerne zusammengefasst wird. Und der weltweit Aufmerksamkeit erhält.

Seine Identität ist quasi ein Staatsgeheimnis

Fakt ist, es gibt Menschen, die wissen, wer Banksy ist. Beginnend mit 3D, der übrigens heute unter seinem echten Namen Robert Del Naja Frontmann der Band Massive Attack ist. Fakt ist aber auch, dass all diese Menschen schweigen. Egal ob es sich um seine ersten Wegbegleiter handelt oder aktive Künstler, Musiker und Kreative, die ihn persönlich kennen. Und das lässt vielen Menschen keine Ruhe. So hat unter anderem die Daily Mail umfassende Recherchen angestellt, wer hinter dem Pseudonym steckt. Darauf aufbauend haben Wissenschaftler der Queen Mary University in London forensische und statische Methoden genutzt, um Banksy auf die Schliche zu kommen. Methoden übrigens, die eigentlich nur bei der Suche nach Serienkillern und Serienstraftätern zum Einsatz kommen.

Sowohl Daily Mail wie auch die universitären Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass es sich bei Banksy um den britischen Künstler Robin Gunningham handelt. Davon will Gunningham selbst jedoch nichts wissen. Andere gehen davon aus, dass 3D hinter Banksy steckt, auch hier wurden diverse verschiedene Abgleiche gemacht, wenn es darum ging, wo die
Band auftrat und an welchen Orten neue Bilder auftauchten. Im Jahr 2003 gab Banksy zudem dem ITV News-Korrespondenten Haig Gordon ein Interview. Mit Baseballcap und einem T-Shirt über Nase und Mund sagt er unter anderem in den 35 Sekunden seines Auftritts: «Ich bin verhüllt, weil du nicht wirklich ein Graffiti-Writer sein und dann in die Öffentlichkeit gehen kannst.» Und Gordon selbst beteuert, dass er zwar sein Gesicht gesehen habe, sich aber nicht erinnern könne.

Eigensinnig und dennoch im Sinne der Gemeinschaft

Was Banksy von kommerzieller Kunst hält, lässt sich vermuten. Auf der anderen Seite aber zeigt er es auch mehr als deutlich. Beginnend damit, dass er auf seine Urheberrechte verzichtet, über die Aussage «Copyright is for losers», bis hin zu dem Tag, an dem er eines seiner bekanntesten Werke nach Abgabe des Höchstgebots zerstörte. Kaum war für das «Girl with Ballon» bei einem Betrag von 1,2 Millionen Euro der Hammer bei Sotheby’s gefallen, begann ein im Bild eingebauter Schredder, das Werk zu vernichten. Da es technische Probleme gab, wurde es final nur bis zur Hälfte in seine Einzelteile zerlegt. Der Fun-Fakt: Drei Jahre nach dem Vorfall kam das halb zerstörte Bild unter dem neuen Titel «Love is in the Bin» erneut unter den Hammer. Und fand für 18,9 Millionen Euro einen neuen Besitzer. Sicher bleibt wegen der fehlenden Urheber- oder übertragenden Besitzrechte nicht jeder Erlös bei Banksy hängen. Dennoch verdient er gut. Und er wäre nicht Banksy, wenn er das nicht in seiner Gesinnung zu nutzen wüsste. So liess er zum Beispiel sein Gemälde «Game Changer» im Mai 2020 exklusiv in einem Krankenhaus in Southampton aufhängen und anschliessend zugunsten des National Health Services im Zuge der Covid-Pandemie versteigern. Mit 19,5 Millionen Euro wurde damals der bislang höchste Preis für ein Banksy-Gemälde erzielt. Zudem ist der Künstler auch Finanziator und Initiator des Seenotrettungsschiffs «Louise Michel». Dieses trägt seine Zeichnungen und dient zur Rettung Geflüchteter, die versuchen, mittels Schlauchbooten das Mittelmeer zu überqueren, und in Not geraten.

Und es geht weiter …

Banksy dürfte mittlerweile Ende 40, rund 50 Jahre alt sein, so wird es vermutet. Dass in den kommenden Jahren also neue Überraschungen in seinem Namen auf die Menschen warten, dürfte sicher sein. Dass er irgendwann einmal doch seine Nase in eine Kamera hält und seine Identität verrät, ist eher ungewiss. Und genau das ist doch eigentlich in Zeiten, in denen Menschen ihr Leben, ihre Lieben auf sämtlichen sozialen Kanälen verkaufen, auch schöne Sache. Die Wartenden in Oerlikon stimmten dem übrigens im Kollektiv zu.

Bilder: Dominik Gruss, Getty Images

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