Wie gut, dass Franzosen es für unfein erachten anzustoßen- im Maison Perrier- Jouët könnte sonst Anzeige wegen öffentlicher Lärmbelästigung eingehen. Schliesslich liegt es in der Natur des Hauses, dass man hier durchaus das ein oder andere Glas mehr als daheim trinkt…

„Es gibt drei Dinge im Leben, die unerträglich sind: kalter Kaffee, eine überreizte Frau und lauwarmer Champagner“, sagte Orson Welles einst. Eines ist sicher, in dem Anwesen von Perrier-Jouët hätte sich der amerikanische Schauspieler pudelwohl gefühlt. Wer in der französischen Champagne einmal durch die Jugendstilpforten des traditionsreichen Hauses eintreten darf, wird stets perfekt temperierten Schaumwein serviert bekommen.

Nun muss man sagen, dass es im französischen Épernay die Avenue de Champagne gibt, die sozusagen das Melrose Place aller namhaften Champagnerhersteller ist. Von Moët Chandon über Veuve Cliquot hin zu Ruinart – die Nachbarschaft des Maison Perrier-Jouët lässt sich sehen. Dass alle auf einem Fleck vereint sind, hat seinen guten Grund.

Nur wer Haus und vor allem Weinstöcke auf dem Boden dieser Region hat, ist ermächtigt, Schaumwein herzustellen, der sich dann auch Champagner nennen und auf dem Etikett den Hinweis auf die Appelation d’Origine Protegée tragen darf. Im Falle von Perrier-Jouët geschieht das bereits seit rund 200 Jahren und kaum ein Haus blickt auf solch eine wunderbare Geschichte zurück, wie dieses.

Wenn Monsieur Thierry in seiner grünen Uniform die Tür der Maison Belle Époque öffnet und unter einem gezwirbelten Moustache gewinnend lächelt, hat die Reise in die Vergangenheit begonnen. Keiner kann die Liebesgeschichte der einstigen Hausherren so hübsch erzählen wie der Concierge des Hauses. 1811 war es, als Korklieferant Pierre-Nicolas Perrier und seine Ehefrau Rose Adélaide Jouët (deren Familie Calvados herstellte) genau hier die Firma Perrier-Jouët gründeten. Eine Seltenheit zu der Zeit allein, dass der Mädchenname von Madame mit einfliessen durfte, eine petite sensation. Dank Thierry und Brand Education Ambassador Giacomo Fanzio erfährt man von der Liebe der Familie zu den schönen Künsten und der Natur. Sohn Charles entpuppte sich als Top-Botaniker, der sich mit 300 Orchideensorten und dem Wachstum der Weinreben botanisch hervortat und darüber hinaus 1861 erstmals die britische Königin Victoria mit den Flaschen seines Elternhauses versorgen durfte. Die Söhne seines Schwagers, Henri und Octave, engagierten schliesslich den befreundeten Künstler Emile Gallé, der die japanische Anemone auf die Bouteille des Champagners setzte – bis heute das Wahrzeichen des Hauses. Das Leben mit all seinen schönen Seiten zu feiern, den Gegentrend zur grauen Industrialisierung setzen und Perrier-Jouët zum Sinnbild der Belle Époque – also der Epoche des Schönen – zu machen, ist also nicht zuletzt diesem Trio zu verdanken.

Am Ende des Tages wartet in der schmucken Bar des Hauses ein ganz besonders Highlight: Der langjährige Kellermeister Hervé Deschamps und seine Nachfolgerin Séverine Frerson sind frisch von der Ernte hergekommen, um dem Abschluss- Abendessen beizuwohnen. Ein Geschenk, denn natürlich sind Menschen, die ihr Leben der Erzeugung von Premium- Champagner widmen, keine Durchschnittsvertreter. Wir lernen: „Champagner kann man zu jeder Tageszeit trinken und es sollte viel öfter Menüs mit durchgehender Champagner- Begleitung geben!“ (Hervé) und: „Frauen und Männer haben einen unterschiedlichen Zugang Champagner zu schmecken – deswegen ist es immer bereichernd, wenn beide Meinungen zusammenkommen!“ (Séverine).

Und während weit unten, in den schummrig beleuchteten Kellergängen hinter schweren Gittertüren die älteste Champagner-Flasche der Welt ruht (von 1825!) und die von Hervé komponierten Rosé-Champagner, Grand Brut und Blanc de Blanc, darf man sich freuen, nicht mehr an einem amerikanischen Dinner von 1850 teilnehmen zu müssen. Damals nämlich mochte man’s süss und in einer Flasche Schaumwein war deutlich mehr Zucker als in einer Coca Cola zu finden. „Ungeniessbarer Sirup!“, lacht Fanzio.

Dass wir in Europa auf den rechten Genusspfad gefunden haben, verdanken wir übrigens dem britischen Empire – das gelangte als Kolonialmacht mit stark gewürzten indischen Speisen in Kontakt und verlangte plötzlich nach erfrischendem, trockenen Perlwein. Bleibt nur zu sagen: God save the Queen und – Santé!

 

Photos Copyrights: Perrier Jouët

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