Zum Glück gibts es mehr und mehr hochrangige Manager und CEO’s, die sich für das Wohl unseres Planeten , den einzigen, den wir haben, tatkräftig engagieren und nicht nur darüber reden, was man alles machen müsste. Die Vielseitigkeit und Konsequenz der engagements von Jochen Zeitz ist jedoch ziemlich einzigartig. Vor vier Jahren hat unsere Autorin Dörte Welt ihn zum ersten mal zu seinen Intentionen interviewt, jetzt hat sie nachgefragt.
Jochen Zeitz, vor vier Jahren sprachen wir darüber, dass in Zukunft Unternehmen generell eine Ökobilanz ausweisen sollen. Hier nochmals Ihre Erklärung, wie man sich das vorstellen muss:
Jochen Zeitz: Bis ein Produkt auf den Markt kommt und schlussendlich vom Verbraucher gekauft und genutzt wird, beansprucht der Hersteller Wasser, nutzt Land, Luft und produziert Abfall und Schadstoffe wie Kohlenstoffdioxid (CO2). Diese Elemente müssen in ein messbares Verhältnis gesetzt und mit einem monetären Wert transparent gemessen werden. In der Summe erhalten wir so eine Ökobilanz, deren Grundlage für alle gleich ist und die am Ende eines Jahres wie die Geschäftszahlen auch ausgewiesen werden könnte. Sozusagen den Umweltabdruck in Euro und Cent.
Sie haben bei unserem Gespräch vor vier Jahren den Wunsch geäussert, dass es gelingen möge, einen Standard einzuführen, der möglichst gesetzlich verankert sein sollte. Was ist aus dem Wunsch geworden?
Im Rahmen des Möglichen gibt es Fortschritte, aber auch Rückschritte, eine Standardisierung muss über die politische Schiene geschehen und da gibt es im Moment noch wenig Bewegung. Wir merken in unserer Arbeit auch, dass der Mensch unheimlich auf sich selbst fokussiert ist. Wir überlegen im Allgemeinen immer erst, was Änderungen im Verhalten oder radikale Massnahmen für uns selbst bedeuten, bevor wir über den Rest der Welt nachdenken.
Das klingt ein wenig ernüchternd…
Nein, gar nicht, ich schaue nach vorne nicht zurück, grosse kulturelle Änderungen brauchen immer ihre Zeit. Ich habe vor vier Jahren gesagt, dass ich hoffe, dass unsere Generation es noch erlebt, dass Unternehmen die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen, bevor der Welt die Luft ausgeht. Es ist wichtig, dass wir nicht abwarten, bis etwas passiert, wir müssen schnell handeln. Die Zeit bleibt nicht stehen, wir müssen den Begriff „bewusst leben“ auch wirklich leben, die Umwelt verändert sich schneller und schneller. Ich bin immer noch überzeugt von dem, was ich tue und wie ich es tue. Ich denke, so kann man auch etwas erreichen, wenn man aus voller Überzeugung mit positivem Drang nach vorne handelt und sieht, was alles machbar ist.

„NATUR IST UNSER KAPITAL, WIR MÜSSEN SIE NUR GENAU SO BEMESSEN, WIE WIR ES AUCH MIT ANDEREN WERTEN IN UNTERNEHMEN TUN.“
Müssen Sie die Wünsche und Pläne von vor vier Jahren revidieren?
Teilweise. Wir haben es noch nicht geschafft, einen einheitlichen Standard für die EP&L zu denieren, was meine Hoffnung für 2020 war. aber immerhin geben viele Firmen heute ihre eigene Umweltbewertung ab. da sind Organisationen wie das WBCdS* oder die SdG**, die heute Business als integralen Bestandteil für die Lösung der grössten Probleme auf dem Planeten Erde integrieren und ansehen. das Klimaabkommen wird auch weltweit umgesetzt und daran wird auch Donald Trump nichts ändern können, denn viele Staaten innerhalb der USA gehen den richtigen Weg in dieser Sicht konsequent weiter.
Die Ökobilanz ist ja aber nicht nur für grosse Firmen ein Thema, sie sollte ja auch umsetzbar sein für jedes KMU und kleinere Businesses. Können Sie uns erklären, wie genau das funktionieren kann?
Indem man qualitativ und quantitativ für die Elemente, die wir alle nutzen, egal ob wir Schuhe, Autos oder Bonbons produzieren, messbare Werte einführt. Es ist schon mal gut, dass jetzt überhaupt über Ökobilanz nachgedacht wird und dass jeder es erst einmal so macht, wie er denkt. Im Laufe der Zeit findet man dann heraus, was wichtig und was nicht so wichtig ist. Es kann auch passieren, dass ein Unternehmen feststellt, dass die Produktion mit einer neuen Supply Chain unter ökologischen Bedingungen nicht funktioniert. Wenn ich zum Beispiel ein Produzent bin, der zu viel Wasser an einem Punkt verbraucht, dann muss ich an genau der Stelle ansetzen und was ändern. Kleinere Unternehmen könnten sich an den Erfahrungen grösserer orientieren, man muss das Rad nicht jeweils neu erfinden. Was man nicht misst, also in Zahlen und Werten, managt man auch nicht oder man verbessert an der falschen Stelle. Dann bleibt Ökobilanz ein abstrakter Begriff. Natur ist unser Kapital, wir müssen sie nur genau so bemessen, wie wir es auch mit anderen Werten in Unternehmen tun. Die Liebe zur Natur allein reicht nicht, denn die löst die Probleme nicht, die wir geschaffen haben.
Warum haben Sie Kering als aktives Aufsichtsratsmitglied verlassen?
Gerade die Luxusmarken könnten doch vorbildlich agieren und Sogwirkung auf andere und vor allem auch Kunden haben, ein Umdenken einzuläuten?
Eine Prämisse im Board von Kering ist, 50:50 Parität zu haben. Wenn Frauen dazu kommen, gehen Männer von Bord sozusagen, meine Zeit dort war mit zwei anderen Kollegen damit abgelaufen. Ich hoffe, andere folgen dem Vorreiter Kering in diesem Schritt.
Warum haben Sie Kering als aktives Aufsichtsratsmitglied verlassen?
Gerade die Luxusmarken könnten doch vorbildlich agieren und Sogwirkung auf andere und vor allem auch Kunden haben, ein Umdenken einzuläuten?
Eine Prämisse im Board von Kering ist, 50:50 Parität zu haben. Wenn Frauen dazu kommen, gehen Männer von Bord sozusagen, meine Zeit dort war mit zwei anderen Kollegen damit abgelaufen. Ich hoffe, andere folgen dem Vorreiter Kering in diesem Schritt.
Und jetzt, mit einer Familie – wird sich Ihr Aktionsradius verändern?
Wie bisher werde ich jeden möglichen Tag mit der Familie bewusst verbringen, so bewusst es geht leben. Es herrscht eine unglaubliche Beschleunigung der Vorgänge aufgrund der sich ständig entwickelnden Technologien. Und es gibt mehr Menschen auf der Welt, die natürlich auch mehr Probleme haben und aufwerfen. Die kulturelle Shift geht nicht ganz so schnell wie die technologische, da ist noch viel zu tun. Ganz konkret heisst das für mich, Segera, das Zeitz MOCAA, The Long Run, das B Team und meine verschiedenen Aufsichtsratstätigkeiten in Unter- nehmen und anderen Not for Profits. „Niemand kann alles machen, aber jeder kann etwas tun“, lautet die Weisheit eines Bekannten (Johann Ernst Nilson). Das unterschreibe ich. Ich mache so viel wie möglich mit dem Ziel, langfristig so gut es geht einen positiven Beitrag zu leisten.
Es gibt sehr viele Möglichkeiten, die Institutionen und Organisationen zu unterstützen, die Jochen Zeitz bewegen, oder ihnen zumindest zu folgen. Hier eine kleine Auswahl an Webseiten, die es sich anzuschauen lohnt:
www.zeitzfoundation.org
www.segera.com
https://zeitzmocaa.museum
www.thelongrun.org
www.bteam.org
*WBCDS ist eine globale CEO-geführte Organisation von über 200 führenden Unternehmen, die gemeinsam daran arbeiten, den Übergang in eine nachhaltig orientierte Welt zu beschleunigen.
**SDG steht für Sustainable Development Goals.

Weitsicht: Conservation, Community, Culture und Commerce sind die vier Cs und Eckpfeiler der 2012 eröffneten Segera. Jochen Zeitz ist davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit gewährleistet ist, wenn alle vier Cs im Einklang sind.
JOCHEN ZEITZ – BIOGRAFIE
Ein so prall gefülltes Leben in Kürze aufzulisten, ist unmöglich. Hier also nur die öffentlich bekannten, wichtigsten Stationen.Jochen Zeitz ist gebürtiger Deutscher. Er studierte International Marketing and Finance in Deutschland, Frankreich und den USA, machte seinen Bachelor 1986 an der European Business School. Mit 30 übernahm er als damals jüngster CEO in Deutschland die Firma Puma als Vorsitzender und CEO und führte 18 Jahre lang das Sportartikelunternehmen in eine erfolgreiche Zukunft. In der Folge amtete Jochen Zeitz als Aufsichtsratsmitglied von Kering (Mutterkonzern diverser Luxusmarken wie z. B. Gucci), leitete dort das Sustainability-Programm und entwickelt den EP & L, den Environmental Profit & Loss Account. Er gründete die Zeitz Foundation und die Long Run-Initiative, eröffnete 2012 das Segera Retreat in Kenya. 2013 gründet Jochen Zeitz gemeinsam mit Sir Richard Branson und vielen Top-Businessleuten aus aller Welt das The B Team. Er ist aktuell Board Member von Cranemere und Harley Davidson, Letztere haben gerade ihre Produktrange mit elektrisch angetriebenen Motorrädern erweitert. 2013 begann auch die Konstruktion von Zeitz MOCAA, das weltweit grösste und erste Museum für zeitgenössische afrikanische Kunst in Kapstadt in Südafrika, Eröffnung war Ende 2017 (zu den Patrons gehören Robert Redford, Morgan Freeman, auch der jüngst verstorbene Kofi Annan gehörte dazu). Die Liste der Organisationen, die er unterstützt, ist sehr lang, er hat Bücher geschrieben und diverse Awards gewonnen. Jochen Zeitz reist viel, lebt mit seiner Frau Kate Garwood und Kids in Kenya, England und den USA.

Wandel: Das MOCAA entstand in einem alten Kornsilo und bietet 9’500 m2 Platz für zeitgenössische afrikanische Kunst.
Photos Copyrights: Wianelle Briers, Crookes and Jackson, MOCAA