Tage des Abschieds

Tränen fliessen über meine Wangen, während ein herzzerreissender, allen Schmerz dieser Welt beinhaltender Schluchzer lähmend langsam meine Brust hochkriecht und ich ihn schliesslich qualvoll in die Welt hinauspresse. Aufdringlich klopft mein tausendfach gebrochenes Herz in meiner Brust, dabei war ich mir 1’000%ig sicher, dass es zu Stein geworden war.

Auch Wochen nach deiner Naturbestattung fragte ich mich, wie das Leben weitergehen soll. Lenny, wie konnte das nur passieren? Wo bist du jetzt?

Durch meinen Kopf rasen die herrlichsten Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit, testosteronschwangere Revierkämpfe, lange Nächte, Autorennen und prickelnde Frauengeschichten. Unsere Freundschaft war so besonders, voll gegenseitigem, bedingungslosem Vertrauen. Wir haben das Leben genossen, gegen uns kam niemand an. Wie oft haben wir meinem Dosenöffner Adam gezeigt, zu was ein richtiger Kater fähig ist. Wir haben in den Wind gelacht, eine tiefe Brise vom Lavendel inhaliert und uns Dreamies durch die Nase gezogen. Mit dir war das Leben so herrlich unkompliziert.

Und nun? Wie in Zeitlupe vergingen meine Tage. Adam bemühte sich redlich mich abzulenken, aber was hilft der Gedanke, dass du nun der hellste Stern am Himmel bist, wenn Tränen meinen Blick vernebeln und du mir so sehr fehlst?

Hin und wieder setzte ich mich an den Computer und wollte Trost in Portalen zur Trauerbewältigung suchen, doch allein das Geräusch des hochstartenden Computers brachte mich aus der Fassung. Schliesslich setzte ich mich wie in Trance an den Tisch und schrieb mir meinen Schmerz über deinen Verlust mit einer Füllfeder von der Seele. Als ich unsere Geschichte fertig aufgeschrieben hatte, band ich eine schwarze Satinschleife rundherum, legte mich auf das Sofa und fiel in einen tiefen, alles zudeckenden Dornröschenschlaf.

Als ich wieder aufwachte, mussten Tage vergangen sein, denn ich versuchte mich erst zu orientieren, hatte unerträglichen Mundgeruch und mein Magen knurrte gewaltig. So plünderte ich, wie in alten Zeiten, den Kühlschrank, nahm ein gediegenes Schaumbad und putzte mir die Beisserchen. Kaum zu glauben, aber ich fühlte mich besser. Nun wollte ich das Ding zu Ende bringen und meine Trauer rituell in einem gigantischen Feuer verbrennen. Erst dann würde ich mich endlich wieder mit neuem Fokus auf die Zukunft konzentrieren können. Ich würde unsere zu Papier gebrachten Geschichten zu einem Verlag senden und dieser würde mir den Bestseller aus den Händen reissen.

Dass es dann doch etwas anders kam, war der Tatsache geschuldet, dass ich in meinen Schilderungen meinen Dosenöffner nicht gerade gut wegkommen liess. Irgendwann als ich schlief, fand er wohl den Text und warf ihn schliesslich wutentbrannt von der Terrasse, über meinen Kopf, in das gigantische Lagerfeuer im Garten. Ich war fassungslos! Erneut entkam meiner Kehle ein herzzerreissender Schrei, doch diesmal war es Wut und diese liess ich kaltblütig an meinem Dosenöffner aus. Als er Tage später aus dem Krankenhaus nach Hause kam, hatte ich das Diktaphon bereits besprochen und er durfte sich mit seinem Adleraugensuchsystem daran machen, mein Buch in den Computer tippen.

Der Tod ist der Horizont unseres Lebens, aber der Horizont ist nur das Ende unserer Sicht. Ich hatte endlich die Kurve gekratzt, ich war fast wieder der Alte und mein Blick ging wieder nach vorne! Alter Kumpel, du bleibst unvergessen in meinem Herzen und den Bestseller widme ich dir, versprochen!

 

Illustration Copyrights: Manuela Dona

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