Schlangenträger unter sich

Der Weltraum – unendliche Weiten! Ein Blick in die Sterne bedeutet nicht unweigerlich mondsüchtig oder ein Träumer zu sein. Gebildet, wissenschaftlich interessiert und belesen wie ich nun mal bin, war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis ich bei der Astrologie landen würde.

Begonnen hat meine Leidenschaft an jenem Herbstabend, als Adam, mein Dosenöffner, mit einem schönen Glas Bordeaux und der Zeitung, bei einem prasselnden Kaminfeuer sass und belustigt sein Gratis-Horoskop rezitierte. «Die Woche wird toll!  Ich werde endlich der Liebe meines Lebens begegnen, den Job wechseln und meine CD-Sammlung der 90er gewinnbringend verkaufen. Das Weltall hat noch viele Geheimnisse für uns bereit», sagte Adam geistvoll.  Verblüfft sah ich ihn an. Was sollte ich bei so viel Naivität erwidern? Ach hätte er das Blatt nur zum Anzünden des Feuers verwendet. Ich trat also den Rückzug an, gähnte gelangweilt und ging zu meinem Platz am Fenster, um in den stockdunklen Garten zu starren. Der letzte Satz hing wie eine markante Duftnote im Raum.  Was wusste dieser Schwachkopf vom Weltall und den unzähligen offenen Fragen, die mein überintelligentes Katzenhirn täglich marterten. Ich war etwas Besonderes, in höchstem Masse Ungewöhnliches und mithilfe der Sterne würde ich es beweisen. Durch eine Dachluke am geräumigen Dachboden unserer Upper-Class-Villa ging ich mit einem Teleskop die Erforschung meiner Vergangenheit und Zukunft an und es dauerte nicht lange, bis mir klar war, dass die Babylonier sich geirrt hatten. Die Sterne offenbarten mir die einzig infrage kommende Möglichkeit. Ich war im 13. Sternbild des Ophiuchus, des Schlangenträgers geboren und  ein unmittelbarer Nachkomme von Asklepios, Sohn des Koronis, Gott des Lichts. Mein bis heute verleugneter Vorfahre war Heiler, der meist eine Schlange und einen Stab bei sich trug, was irgendwann in der Vergangenheit dazu führte, dass sein Markenzeichen zum Symbol des ärztlichen Standes wurde. Wie Schuppen fiel es mir von den Augen. Ich hatte die einzige Wahrheit gesehen – ich war … mir verschlug es die Sprache! Gottgleich stieg ich vom Observatorium am Dachboden und ging dazu über die Welt darüber zu informieren, mit was für einer Persönlichkeit sie es zu tun hatte. Mit Adam sprach ich nur noch wenn nötig und dann von oben herab und benahm mich auch sonst majestätisch. Ich genoss meine vermeintliche Überlegenheit und postete unzählige scharfsinnige Kommentare meiner Theorie auf allen wichtigen Astrologie-Blogs. Aber ich wollte nicht diskutieren, ich wollte herrschen und wäre es möglich gewesen, hätte ich mit Blitzen um mich geworfen. Adam beobachtete meine Veränderung mit Argwohn und nach etlichen Versuchen mich wieder auf den Boden der Realität zu holen, zog er schliesslich die Reissleine. Ich hielt gerade eine glühende Rede über die Sinnlosigkeit von Zähneputzen für Götter, als er den psychologischen Notruf wählte und der Dame am Telefon eindringlich erklärte, dass sein bester Freund glaube ein Anderer zu sein. Die Dame versprach sogleich einen Blaulichtwagen mit Fachpersonal zu schicken. Als der Wagen kurze Zeit später vorfuhr, öffnete ich erfreut die Tür. Auf die Frage wo der Patient sei, führte ich die netten Herren der Effizienz halber gleich selbst zu ihm ins Wohnzimmer.  «Nein, ich bin nicht der von dem sie glauben, dass ich bin.» «Natürlich nicht«, sagte der freundliche Herr, bevor sie ihn zu einem handlichen Paket verschnürt davontrugen. «Bitte helfen Sie meinem Freund», sagte ich eindringlich und sah dem Wagen noch ein Weilchen wehmütig nach.

«Sag mal hörst du mir überhaupt zu? Du sitzt nun schon seit Tagen da am Fenster und starrst den Mond und die Sonne an. Das ist unheimlich, du siehst aus wie ein Zombie oder ein Sonnenanbeter oder so was?» Adams Stimme klang wie aus weiter Ferne! Majestätisch sass ich auf meinem Brokatkissen am Fenster, mein edles Haupt war überstrahlt von einer Sonnenkorona. «Ein Sonnenkönig? Warum nicht?»

 

Copyrights: Manuela Dona

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