Im Interview erzählt Stefano Petta, Sommelier des Jahres 2024, warum er keinen Lieblingswein hat und warum ihn in der Ausbildung der «Fruchtsalat» unter Druck gesetzt hat.
Herr Petta, welche Frage sollte man einem Sommelier niemals stellen?
Stefano Petta: Welcher ist dein Lieblingswein … Denn es gibt nicht den einen Wein, keinen Lieblingswein in meinen Augen. Sicher haben Sie vielleicht einen Favoriten, den Sie gerne trinken und von dem Sie immer eine Flasche daheim haben. Aber Wein hat auch viel mit der Situation zu tun, in der man ihn trinkt. Und auch Dinge wie die Jahreszeiten und ihr Vis-a-Vis sind relevant, welcher Wein am besten passt.
Und welche Frage wird einem Sommelier nie gestellt, obwohl sie auf der Hand liegt?
Da muss ich wirklich überlegen. Beziehungsweise würde ich die Frage etwas verändern, und auf eine Verallgemeinerung zu sprechen kommen, die in Bezug auf einen Sommelier oft besteht. Viele Menschen gehen davon aus, dass ein Sommelier ausschliesslich Wein trinkt. Und nein, ich trinke wie alle anderen auch mal ein Bier, einen Kaffee und oft sowie gerne Wasser. (lacht)
Wie sind Sie zum Wein gekommen? Können Sie sich eventuell auch noch an den Tag erinnern, beziehungsweise den Anlass, an dem Sie Ihr erstes Glas Wein getrunken haben?
Was ich sagen kann, ich war sicher noch nicht 16 Jahre alt, als ich mein erstes Glas Wein getrunken habe. Meine Eltern stammen beide aus Italien und in den Sommerferien waren wir immer zu Besuch bei der Familie. Meine Grosseltern, die leider zu der Zeit bereits nicht mehr lebten, hatten über viele Jahre auch einige Rebstöcke, sodass noch immer im Keller Wein lagerte. Und daher haben wir auf jeden Fall schon als Heranwachsende dann und wann eine Mischung aus Wein und Gazosa getrunken.
Wann haben Sie entschieden, Wein zu Ihrer Passion und damit zu Ihrem Job zu machen?
Ich habe zunächst eine Ausbildung als Koch gemacht, dann noch eine weitere im Bereich Service. Und im Service ist es natürlich wichtig, dass Sie Grundsätzliches über Wein verstehen. Während dieser Zeit wurde ich auf die Ausbildung zum Sommelier aufmerksam und habe mehr aus einer Laune heraus gestartet. Mit Anfang 20 war ich dabei auf jeden Fall der Jüngste und einfach war es nicht.
Was war besonders schwierig?
Der Fruchtsalat. (lacht) Die anderen waren eben oft viel älter als ich und schmeckten immer irgendwelche schwarzen Oliven, gekochte Karotten und ähnliches beim Tasting. Ich habe dann echt daheim Karotten gekocht und versucht, dieses Aroma im Wein wiederzufinden. Ich habe sehr viel Blindtastings im Selbststudium gemacht, um hier besser zu werden. Und das neben meiner Arbeit, da ich die Ausbildung berufsbegleitend gemacht habe.
Gab es Momente, in denen Sie sich gefragt haben, warum Sie das eigentlich machen?
Sicher. Vor allem, weil Sie sehr schnell den Genuss verlieren, wenn es darum geht, im Privatleben einen Wein zu trinken. Es gibt gewisse Schlüsselwörter, um Weine zu beschreiben. Die gelten weltweit und sorgen für eine Art Einheitlichkeit bei der Bewertung. Doch wenn Sie dann abends mit Freunden eine Pizza essen gehen und dazu ein Glas Wein trinken, können Sie irgendwann nicht mehr abschalten. Dann geistern diese Worte sofort in Ihrem Kopf herum. Da ärgerst du dich dann plötzlich darüber, dass der Tisch nicht weiss ist, weil du die Farbe des Weines gar nicht optimal einschätzen kannst.
Durchhalten hat sich dennoch gelohnt. Sie tragen den Titel «Sommelier des Jahres 2024». Wie wichtig ist ein solcher Titel für Ihren Beruf, wie wichtig für Sie persönlich?
Sicher ist es beruflich enorm fördernd, wenn Sie einen Titel wie diesen tragen. Auch in meiner neuen Position als Weindirektor bei The Living Circle. Zudem gebe ich Masterclasses. Es wäre falsch zu sagen, dass Titel hier nicht wichtig sind. Gleiches gilt für mich persönlich. Natürlich bin ich stolz auf die Auszeichnung. Das tut dem Ego gut. Wer anderes sagt, der … und wenn Gäste im Restaurant mir dazu gratulieren, freut mich das enorm.
Was ist übrigens die grösste Sünde, die man einem Wein antun kann?
Wenn Sie ihn falsch lagern. Ich erinnere mich an einen Urlaub in Florenz. Da standen die Weinflaschen in einem Regal hinter dem Tresen. Draussen waren es gefühlt 50 Grad, drinnen 30 Grad und der Wein hatte ungefähr 29 Grad. Da darf es niemanden wundern, wenn der Wein nicht mehr schmeckt. Ich weiss, wie viel Arbeit die Winzerin, der Winzer in diese Flasche gesteckt haben, daher finde ich das einfach schade. Auf der anderen Seite ist es im Restaurant so, dass ich eben akzeptieren muss, wenn Menschen Cola in ihren Wein schütten oder Berge an Eiswürfeln. Wenn ich das nicht akzeptieren können würde, dürfte ich den Wein nicht auf die Karte setzen. Denn Kundinnen und Kunden bezahlen ihn und dürfen ihn geniessen, wie es für sie passt.
Sie arbeiten seit Jahren eng mit dem Sternekoch Stefan Heilemann zusammen. Wie wichtig ist die Partnerschaft für Sie?
Nach neun Jahren haben sich nun im Juni unsere Wege getrennt. Auch wenn das nicht ganz richtig ist. Denn in meiner Funktion als «Director of Wine» bei der Gruppe «The Living Circle» habe ich noch ein Büro im Widder Hotel. Aber wir haben eine tolle und intensive Zeit erlebt. Zuerst im Ecco, später dann im Widder. Denn als in der Pandemie das Restaurant geschlossen wurde, sind wir mit einem grossen Teil der Crew später in das Widder Hotel gewechselt. Wir beide sind ein wenig wie ein Ehepaar. Wir zoffen uns auch mal heftig, denn unsere Jobs sind sicher nicht die einfachsten. Aber wir kennen uns auf der anderen Seite so gut, dass wir absolutes Vertrauen ineinander haben und uns immer aufeinander verlassen können. Eine grossartige Zusammenarbeit.
Wie geht diese weiter in Ihrer neuen Rolle?
Wie gesagt: Das Widder gehört zur Gruppe von «The Living Circle». Daher werde ich auch weiter im Haus sein. Aber eben auch in anderen Häusern Masterclasses geben. Wir werden nicht mehr so eng miteinander arbeiten, wie wir es als Restaurantleiter und Küchenchef getan haben, aber immer noch regelmässig.
Dann ein Ausblick. Auch Weine unterliegen Trends. Was steht aktuell an?
Orange Weine, oder wie man auch sagt: Naturweine. Gerade in den nordischen Ländern und in den USA erleben diese gerade einen Trend.
Welchen Trend würden Sie persönlich aber niemals mitmachen?
Um beim Thema zu bleiben: Naturweine sind nicht meines. Ich habe jetzt schon einige probiert, aber ich werde nicht warm damit. Ich bin eher der klassische Sommelier. Weine, die nicht stabilisiert sind, finde ich schwierig. Aber wie bei vielen Dingen sollte man Menschen nicht von einer Philosophie überzeugen wollen. Weder bei Nahrungsmitteln, Essgewohnheiten und auch nicht bei Weinen. Es muss einfach passen für einen persönlich.
Und zur Situation, zum Vis-a-Vis und zur Jahreszeit …
Genau so ist das.
Biografie
Der 36-jährige Stefano Petta hat seine Wurzeln in Italien, heute lebt und arbeitet er in Zürich. Die letzten Jahre hat er als Gastgeber die Menschen im Restaurant des Hotels Widder in Empfang genommen. Seit dem 1. Juni verantwortet er die Position als «Director of Wine» bei The Living
Circle. Ende 2023 erhielt er zudem die Auszeichnung zum «Sommelier des Jahres 2024». Er verfügt über eine Ausbildung als Koch wie auch Restaurationsfachmann und erwarb mit 22 Jahren das Diplom als Sommelier ASSP. Ein Jahr später kreierte er seine erste Weinkarte im Schweizerhof in Bern. Sein beruflicher Werdegang ist vor allem auch durch die schon jahrelange vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Stefan Heilemann geprägt. Zusammen haben sie zunächst im ECCO in Zürich gearbeitet, seit 2020 sind die beiden als Duo für die hervorragenden Genüsse im Widder Hotel verantwortlich.
Photos Copyrights: Widder, The Living Circle