Die Dinge schön machen

Michel Parmigiani ist Uhrmacher aus Leidenschaft und Überzeugung. Vor 40 Jahren begann er alte Uhren zu restaurieren, vor 20 Jahren gründete er seine eigene Uhrenmanufaktur, als noch keiner wusste, was ein Start-up ist. Die Restauration von komplizierten Uhren ist bis heute eine seiner Spezialitäten. Man halte 500 Jahre Uhrengeschichte in den Händen, aber man könne sich darin nicht ausdrücken, sagt der Aficionado. Letzteres tut er deshalb in den ausgefeilten Zeitmessern seiner Parmigiani-Fleurier-Manufaktur. ADAM sprach mit dem Uhrenkonstrukteur über das Metier und die Zeit.

ADAM: Braucht man noch Uhren?

Michel Parmigiani: Ich habe das Vermächtnis der alten Uhrmacherkunst am Technikum in La-Chaux-de-Fonds kennengelernt. Ich habe dieses traditionelle Handwerk entdeckt und es hat mich sehr geprägt.Es war mitten in der Uhrenkrise und ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass die Uhrmacherei verschwinden soll. Es ist einfach fantastisch, was man in diesen alten Uhren alles entdecken kann. Was die Uhrmacher in früheren Jahrhunderten schon alles gemacht haben. Es gibt keinen Grund, das nicht weiter fortzuführen.

Ist es die Mechanik, die Sie fasziniert?

Nein, es ist das gesamte Werk! Oft gibt es keinen Zusammenhang von Inhalt und Gehäuse einer Uhr. Weil ich keine Uhrwerke fand, die mich sowohl durch ihre technischen wie ästhetischen Attribute befriedigten, haben wir angefangen unsere eigenen Uhrwerke herzustellen. Eine schöne und technisch anspruchsvolle Uhr drückt die Noblesse dieses Metiers aus. Während Jahren wurden rein funktionelle Uhrwerke hergestellt ohne jeden ästhetischen Anspruch. Ich wollte es anders machen. Gewisse Häuser wie Patek Philippe und Vacheron Constantin haben es schon immer so gemacht. Ich wollte die Dinge schön machen.

Was gab Ihnen die Überzeugung, es mit einer eigenen Uhrenmarke zu schaffen?

Ich hatte schon 20 Jahre Erfahrung in der Branche. Das hat mir sehr geholfen, auch die industrielle Seite zu verstehen. Zudem habe ich nicht wenige mechanische Spezialitäten und Einzelstücke für grosse Marken wie Breguet, Vacheron Constantin und Piaget gebaut und restauriert. Vor allem die komplizierten Dinge. Und ich habe mit der Kollektion Sandoz gearbeitet, um deren Uhren und Automaten ich mich kümmerte. Ich habe mit Pierre Landolt, dem Präsidenten der Sandoz Stiftung gesprochen und er riet mir zur eigenen Marke. Dank der Sandoz-Familie und Pierre Landolt gibt es Parmigiani Fleurier erst.

Würden Sie heute noch einmal mit einer eigenen Uhrenfirma anfangen wollen?

Ich würde es vielleicht etwas anders anstellen, aber grundsätzlich ja. Als ich anfing, herrschten widrige Umstände. Alles war auf negativ, um mich zu entmutigen. Es war sehr hart am Anfang. Ich habe mich gezwungen, daran zu glauben, um mich selbst zu überzeugen.

Haben Sie als Uhrmacher eigentlich eine andere Beziehung zur Zeit?

Zeit ist etwas sehr Relatives. Heute scheint tatsächlich keiner mehr Zeit zu haben. Zeit ist sehr oberflächlich geworden, weil wir keine Zeit mehr haben zum Nachdenken und um gut und genau zu arbeiten. Die Zeit ist mein schlimmster Feind. Wenn man sich heute Zeit nehmen muss, um etwas gut zu machen, ist das nicht einfach, weil sie nicht zur Genüge vorhanden scheint. Man muss heute viele Kompromisse eingehen mit der Zeit. Es ist etwas pervers. Wenn man krank in der Klinik liegt, vergeht sie nicht, wenn man viel zu tun hat, scheint sie nur so zu verfliegen. Zeit ist eine Form der Relativität, die man täglich lebt.

Photos Copyrights: Parmigiani

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