Das Basler Ausnahmetalent bringt die Stars zum Tanzen und Glänzen.

Der Basler Choreograf und Tänzer lässt die Popstars glänzen

WENN ER SEINE HÜFTLANGEN HAARE FLIEGEN LÄSST, IST VIET DANG EINE DER AUFFÄLLIGSTEN ERSCHEINUNGEN IN VIDEOCLIPS UND BÜHNENAUFTRITTEN AMERIKANISCHER POP STARS, WESHALB ER FAST NUR VON DENJENIGEN ENGAGIERT WIRD, DIE SELBSTBEWUSST GENUG SIND, IN IHM KEINE KONKURRENZ ZU SEHEN. WIR SPRACHEN MIT DEM JÜNGSTEN SOHN VON VIETNAMESISCHEN „BOAT PEOPLE“, DER SEIT FÜNF JAHREN IN LOS ANGELES LEBT UND AUS DESSEN MUND NOCH IMMER REINSTES BASELDITSCH KOMMT.

Sie tanzen neben Stars wie Beyoncé, Justin Timberlake und Rihanna. Wie haben Sie das geschafft?

Der Konkurrenzkampf in Amerika ist so gross, dass du nicht meinen musst, wenn du den Durchbruch geschafft hast, ginge alles wie von selbst. Du musst Durchhaltevermögen zeigen, an dir arbeiten und dich ständig neu beweisen. Dann macht es vielleicht irgendwann mal „Klick“ …

Wie war das bei Ihnen?

Ich bin 2011 nach Los Angeles gezogen, ging zu meinem ersten Casting und konnte gleich für Muse an den Grammys tanzen. Ich dachte, höher hinauf ginge es gar nicht mehr, aber ein paar Monate später konnte ich neben Rihanna bei „X­Factor“ und neben Christina Aguilera bei den American Music Awards auftreten. Danach war in der Branche bekannt, dass es da einen Typ mit langen Haaren gibt, der ein gewisses Talent besitzt …

Wie bekommt man solche Jobs?

Du gehst zu einem Casting, wo bei den Topstars bis zu 700 Kollegen genau das Gleiche wollen wie du und dir manchmal das Herz in die Hose rutscht, wenn du deine Idole unter den Konkurrenten entdeckst. Bei Rihanna dauerte es neun Stunden. Zum Schluss war es mir egal, ob ich das Rennen mache – Hauptsache, ich konnte endlich schlafen gehen! (lacht)

Kommen Sie mit den Stars in Kontakt?

Das ist unterschiedlich. Gwen Stefani oder Christina Aguilera haben uns ihren Respekt gezollt, indem sie bei den Proben auch zu uns gekommen sind und mit uns geredet haben. Sie zeigen damit, dass sie wissen, dass wir Tänzer die Sänger schöner, glamouröser und talentierter wirken lassen, als sie es allein würden. Wir sagen: „We make them shine.“

Welche Rolle spielt Ihr Aussehen?

Als ich in Basel als Kind von vietnamesischen „Boat People“ (Flüchtlingen) aufgewachsen bin, fühlte ich mich immer gut integriert. Dass ich anders aussehe, bekam ich erst zu spüren, als ich als Tänzer aufzutreten begann und es beim Schweizer Fernsehen hiess, ich würde nicht genug helvetisch aussehen. In Los Angeles falle ich jetzt nur wegen meiner langen Haare auf.

Die Herkunft ist kein Thema?

Nein, diese Stadt ist eh eine bunte Mischung aus Leuten, die dort ihr Glück machen wollen. Dort steht sogar in meinem Arbeitsvisum, dass ich eine Bereicherung für Amerika bin. Um es zu bekommen, musste ich jedoch zuerst beweisen, dass ich in meiner Heimat der „Roger Federer des Tanzens“ bin.

Und wie haben Sie das gemacht?

Ich musste mir einen Anwalt nehmen, der dokumentierte, dass ich Schweizer Meister im Hip­Hop­Tanzen war, 16 Jahre eine eigene Tanzschule besass, in Polen und Japan für TV­Casting­Shows choreografierte, in ganz Europa Masterclasses abhielt, in verschieden Hip­Hop­Wettbewerben am Jurorentisch sass, viele Musikvideos für Schweizer Künstler choreografiert und bei den MTV Music Awards getanzt habe.

Trotzdem kannte Sie kaum jemand, ausser den Zuschauern des Musiksenders Viva, bei dem Sie Videoclips anmoderiert haben …

Im Gegensatz zur Schweiz, hat das Tanzen in den USA einen viel höheren Stellenwert. Dort werden einheimische Schauspieler oder Models, die in einem grossen Hollywood­Streifen eine Statistenrolle spielen, in allen Medien gehypt und Markenbotschafter, während man über jemanden wie mich lange Zeit keine Zeile gelesen hat.

Was vermissen Sie in Los Angeles am meisten?

Zuverlässigkeit, Ordnung und Pünktlichkeit. Umgekehrt fehlt mir in der Schweiz die Spontanität. In Amerika wirst du heute angefragt und morgen drehst du schon. Einmal wurde ich eine Woche später schon auf der Strasse angesprochen: „Wow, du stehst doch im Pepsi­Werbespot neben Serena Williams!“

Wie gut können Sie von Ihrer Berufung leben?

Wenn der Traum meines Vaters in Erfüllung gegangen wäre, der als Flüchtling wollte, dass seine fünf Kinder Akademiker würden, wäre mein Einkommen vielleicht höher. Ich habe jedoch während der Lizenziatsarbeit meines Sozialpsychologie­Studiums gemerkt, dass ich meinen eigenen Traum verwirklichen muss und bin dorthin aufgebrochen, wo man im Showbusiness die Medaillen gewinnen kann. Weil in den USA die Künstler­Gewerkschaft so stark und das Land so gross ist, sind die Gagen und Tantiemen klar geregelt und durchaus lukrativ – jedenfalls viel höher als in der Schweiz.

Feiern Sie auch mal auf den glamourösen Partys mit?

Ich tanze ja eh schon den ganzen Tag, bin ein eher scheuer Mensch und trinke keinen Alkohol. Wenn die Anderen ab 2 Uhr lustig drauf sind und über Witze lachen, die ich nicht verstehe, lohnt es sich für mich nicht, mir die Nächte um die Ohren zu schlagen. So gehe ich eigentlich nur auf Partys, wenn ich dort einen Auftritt habe.

Wie wohnen Sie in Los Angeles?

Ich wohne in einem Zweizimmerhäuschen mit Garten, in dem ich Salat und Tomaten anpflanze. Ich hätte gerne Haustiere, doch das passt leider nicht zu meinem Lebensstil. Es gibt jedoch eine streunende Katze, die ab und zu vorbeischaut, wenn sie sich verwöhnen lassen will … Was die Einrichtung angeht, mag ich es sehr reduziert, nur ein Möbelstück pro Zimmer. Leute, die zu Besuch kommen, sagen oft: „Geschmackvoll, du bist aber gerade erst eingezogen, oder?“

Haben Sie neben dem beruflichen auch schon Ihr privates Glück gefunden?

Es gibt Menschen, für welche die Arbeit das Wichtigste ist, andere suchen nach ihrer besseren Hälfte. Ich bin komplett, brauche keine „bessere Hälfte“ und bin glücklich so! (lacht) Kommt noch etwas dazu, ist es das Tüpfelchen auf dem i, wenn nicht, ist es kein Problem. Ich bin für meine Karriere nach Los Angeles gezogen und weiss, wie fokussiert man bleiben muss, vor allem am Anfang, um sich behaupten zu können, denn ich habe schon bei einigen Freunden, die den gleichen Traum hatten, gesehen, wie es herauskommt, wenn man sich die ganze Zeit ablenken lässt …

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