Klarheit, Kontemplation, Klasse – das zeichnet die Werke des belgischen Designers und Architekten Vincent van Duysen aus. Möbel entwirft der 61-jährige ebenso wie Design-Hotels, stilvolle Offices oder Räume für Kim Kardashian.

Welches Thema treibt Sie zur Zeit um?
Ich interessiere mich für das Wohlbefinden der Menschen im Allgemeinen und für eine generelle Gelassenheit auf der Welt. Mir ist daran gelegen, etwas beizutragen dazu. Das tue ich, indem ich zuerst verstehe, wie Menschen in ihren Häusern leben, ihr Zuhause, ihre Räume bewohnen. Diese Erkenntnisse lasse ich in meine Werke einfliessen.

Wollten Sie immer schon Architekt werden?
Als ich Kind war, führten mich meine Eltern an viele verschiedene Künste heran, das war der entscheidende Einfluss und der Grundstein für meine Wertschätzung und mein Verständnis von Schönheit. Sie förderten auch von klein auf ein natürliches Talent für Kreativität in mir. Für die Architektur habe ich mich entschieden, weil sie so viele Aspekte aller angewandten Künste abdeckt und somit ein Allround-Studiengang ist. Es hätte aber auch Fotografie, Kino, Mode oder ähnliches werden können. Architektur gab und gibt mir die Möglichkeit, meine Kreativität auf unterschiedlichste Weise auszudrücken und damit zur Lebenskunst beizutragen.

Sie leben und arbeiten in Antwerpen, was fasziniert Sie an der Stadt?
Antwerpen ist sehr kosmopolitisch, vor allem was die Kunst, das Handwerk und die Kultur betrifft. Die Stadt bietet eine enorme Bandbreite an Kreativität, vom Theater über Performance, Tanz, Mode bis zur Architektur, an der sich viele beteiligen, aber auf unterschiedliche und einzigartige Art und Weise. Antwerpen ist mein Zuhause, es beeinflusst, «kontaminiert» mich in gewisser Weise, aber gleichzeitig ist es eines meiner beiden Zuhause, in dem ich auch auftanken kann und mich geschützt fühle.

Was lieben Sie an Ihrer Arbeit?
Es gibt viele Aspekte, die ich an meinem Beruf mag. Zum einen, dass ich in erster Linie für Menschen arbeite, um ihr Leben auf organische und zeitlose Weise zu verbessern. Mir gefällt auch, dass mein Beruf mir die Möglichkeit gibt, meine Kreativität zu nähren, und die Fähigkeit, ohne Zwänge auf Veränderungen zu reagieren. Ich liebe es auch, wie ein Schwamm die unterschiedlichsten Disziplinen aufzusaugen. Alles hat das Potenzial, mich zu inspirieren: ein Dokumentarfilm auf YouTube, ein Bild von jemandem, dem ich auf Instagram folge, ein Buch, ein Kunstwerk, alle Arten von visuellen Reizen, Bücher, Galerien, Filme … Alles läuft durch den Filter meiner Empathie und meiner Vorstellungskraft – und daraus schöpfe und kreiere ich.

Aber ich bin nur dann optimal kreativ, wenn ich von Menschen umgeben bin. Ich glaube, das tägliche Leben, die täglichen Begegnungen sind es, die mich am meisten inspirieren. Und meine Reisen. Und mein Team!

Wie haucht man einem Raum Seele ein?
Seit Beginn meiner beruflichen Laufbahn – vor nunmehr 30 Jahren – war es immer das Wichtigste, die Architektur als einen Beruf zu betrachten, der dem Menschen gewidmet ist. Das bedeutet, dass Bewohner eines Ortes, einer Architektur, eines Innenraums sich geschützt und entspannt fühlen müssen. Das bezieht sich auch auf die Möbel und Gegenstände um sie herum, die sie für ein komfortables und glückliches Leben brauchen. Ich verleihe einer Umgebung oder einem Raum Seele, indem ich Taktilität, Zeitlosigkeit, Organik, Textur, Gelassenheit, Komfort, natürliche Materialien, Licht und exquisite Handwerkskunst einfliessen lasse.

In solch einem Raum fühlen sich die Menschen dann …?
Zu Hause. Sie fühlen sich wohl, geschützt, inspiriert. Bei meiner Arbeit steht der Mensch im Mittelpunkt. Deshalb entwerfe oder plane ich in erster Linie für den Menschen, für sein Wohlbefinden, für seine Gelassenheit und Ruhe.

Haben Sie ein Lieblingsprojekt aus Ihrem Portfolio?
Jedes Projekt ist bezüglich Kontext, Ort, Verbindungen, Nutzung und Aufgabenstellung anders, sodass es schwierig ist, einige zu bevorzugen. Ausserdem berücksichtige ich beim Entwerfen immer ein Narrativ und in diesem Sinne sind meine Projekte eine Sequenz eines umfassenderen «grossen Bildes». Dennoch gibt es einige Schlüsselprojekte, die mir in den Sinn kommen, weil man immer eine emotionale Verbindung schafft – wie etwa bei der Casa M, meinem Urlaubsdomizil in Portugal.

Wie betrachten Sie den Trend zu Farbe und Opulenz im Interior Bereich?
Ich folge keinen Trends, ich versuche immer, mir selbst treu zu bleiben, indem ich den Kunden an die erste Stelle setze und Räume, Gebäude oder Objekte schaffe, die das Leben der Menschen verbessern.

Wie arbeiten Sie am besten?
Mein Designprozess ist konstant, ich entwerfe immer in meinem Kopf – nie vor einer «leeren Leinwand». Ich bin gerne so aufmerksam wie möglich und habe einen stark visuellen Ansatz. Ich setze mich regelmässig mit meinem Team zusammen und diskutiere Ideen und Richtungen, um eine gemeinsame Vision zu erreichen. Meine ständige Inspiration kommt von Reisen, Gesprächen, Ausstellungen, Menschen und dem täglichen Leben.

Womit sind Sie zur Zeit beschäftigt?
Mit vielen Projekte parallel … Residenzen in Asien, Belgien, USA, Berlin, Projekte für Molteni&C | Dada, Zara Home, Flos, Hospitality Projekte in Portugal, zu viele. Kurzum, zu viele, um sie alle aufzuzählen.

Gibt es neben all dem noch ein «dream come true»-Projekt?
Nichts Spezielles, aber im Allgemeinen möchte ich weiterhin neue Architekturen, Produkte und Innenräume entwerfen und gestalten und auf organische Weise etwas für die Menschheit schaffen, zeitlose Objekte kreieren. Ich möchte mehr reisen. In Ländern bauen können, in denen ich noch nicht war. Ich hoffe nur, dass wir nicht zu viel bauen und produzieren werden, denn wir müssen uns um die Welt kümmern und mehr in zeitlosen Strukturen und Objekten denken. Im Hinblick auf künftige Unternehmungen macht es mir generell viel Freude, jedes Projekt als Chance zu betrachten, neue oder unerwartete Ideen auszuprobieren. In meinem Kopf entwerfe ich ständig. Diesen roten Faden, der sich durch meine Arbeit zieht, immer wieder zu erneuern und weiterzuentwickeln, ist eine willkommene Herausforderung. Ich freue mich darauf, meine Kunden zu überraschen und jedem Projekt ein Gefühl von Integrität und Individualität zu verleihen. Gleichzeitig möchte ich mit Menschen zusammenarbeiten, die mich herausfordern, mit denen ich eine kreative Chemie und eine starke Interaktion habe. Ich arbeite gerne mit Menschen und Kunden zusammen, die mich aus meiner Komfortzone herausholen.

„Mein Designprozess ist konstant, ich entwerfe immer in meinem Kopf – nie vor einer ,leeren Leinwand‘.“

Photos Copyrights: Piet Albert Goethals, Mark Seelen, Alberto Piovano, Hélène Binet,  Max Zambelli, Matthieu Salvaing, Vincent Van Duysen, Koen Van Damme