Tobias Rehbergers bisher persönlichste Ausstellung in Kopenhagen zeigt neben seinen Kunstwerken und Schnappschüssen auch Objekte, die er über die Jahre hinweg «angehäuft» hat, wie er sagt. Warum? Das erzählt er uns im Interview.

Über zwei Etagen und bis auf den Vorplatz des Museums erstreckt sich Tobias Rehbergers große Retrospektive „through the back side of my eyes“ im Kunstforeningen GL Strand in Kopenhagen, die bis zum 14. Januar 2024 zu sehen ist. Der Künstler gilt als einer der einflussreichsten seiner Generation und erhielt 2009 den Goldenen Löwen auf der 53. Kunstbiennale in Venedig. Im Zentrum seines Interesses stehen das Spiel mit der Wahrnehmung und die Möglichkeit, Dinge neu und anders zu sehen, zu erfahren und zu interpretieren.

Was erwartet die BesucherInnen in Ihrer Ausstellung in Kopenhagen?
Ich habe mich entschieden, Werke aus den letzten 30 Jahren zu zeigen, die zum Teil schon mal ausgestellt wurden, das sind alles Arbeiten, die ich für mich behalten hatte. Wenn man eine Serie mit mehreren Arbeiten macht, behält man ja das eine oder andere für sich selbst. Da die Ausstellung im großen ehrwürdigen Kunstforeningen GL Strand stattfindet, das früher privat genutzt wurde, gefiel mir die Idee, auch etwas «Privates» zu machen. Ich habe etwas recherchiert und keine anderen KünstlerInnen gefunden, die vor mir eine Ausstellung dieser Art gemacht hätten: Es geht um den Blick des Künstlers auf sich selbst, wenn er bestimmte Arbeiten von sich aussucht. Darüber hinaus gibt es in der Ausstellung noch zwei weitere Ebenen. Zum einen zeige ich Dinge, die ich im Laufe der Zeit angesammelt habe, die keine Kunst sind – beispielsweise meine Kochbuch-Sammlung, meine Teekannen- Sammlung – wobei ich sagen muss, dass das keine kuratierten Sammlungen sind, sondern Objekte, die ich gut fand und deshalb angehäuft habe. Als Fußnote dazu sind Fotos von mir zu sehen, die nicht entstanden sind, um ausgestellt zu werden, sondern Schnappschüsse, wie sie andere auch machen.

Und die vierte Ebene der Ausstellung ist das Kunstwerk vor dem Museum?
Ja, draußen gibt es eine Fassadenarbeit, die hat im Gegensatz zum „Privaten“ im Innern mit dem Gegenteil zu tun, nämlich mit dem Öffentlichen. Im ersten Stock des Gebäudes sind Neonkästen in die Fenster eingebaut, wie man Leuchtreklamen vor Geschäften kennt. Sie sind mit einem Sockel auf dem Vorplatz des Museums verbunden, in den man das Handy einloggen und die eigene Musik abspielen kann. Das Licht der Neonkästen reagiert auf diese Musik und spielt gewissermaßen die Musik und die Lichtversion des Musikstücks ab. Man kann mit dieser Arbeit also etwas Privates wie die eigene Musik öffentlich sichtbar und hörbar machen.

Was haben die Ausstellungsstücke gemeinsam, die Sie ausgewählt haben?
Es gibt die unterschiedlichsten Gründe, warum man eigene Werke behält. Mal sind es besonders gelungene Arbeiten oder man hat Mitleid mit einer Arbeit. Was sie alle zusammenhält ist, dass man sich als Künstler damit in gewisser Weise identifiziert – es können auch die etwas komischeren Arbeiten sein, die nicht so eingängig sind. Es gibt nicht für alle das gleiche Kriterium. Deshalb ist es ja auch so interessant – weil es eine so unklare Masse ist.

Wenn der Blick des Künstlers auf sich selbst gezeigt wird – was sehen Sie, wenn Sie die Ausstellung betrachten?
Eben genau diesen Blick. Was das ist, muss jeder und jede für sich selbst herausfinden. Aus diesem Grund mache ich es ja. Wenn ich es selber so genau wüsste, könnte ich es ja aufschreiben, dann wäre es eine langweilige Ausstellung. Es geht vielleicht auch um Dinge, die man selbst gar nicht so ganz genau wissen möchte. Es ist ja schon intim genug, dass ich Euch meinen Blick auf mich selbst zeige. (lacht)

Das stimmt natürlich. Was hat es mit dem Titel der Ausstellung «through the back side of my eyes» auf sich?
Es geht ja eben um diesen Blick auf sich selbst, der ein anderer ist als der Blick nach vorn. Wenn man durch die Rückseite der Augen blickt, schaut man sich ja auch selbst an. Es ist eine Art Selbstbespiegelung. Da ist eine gewisse Parallelität, denn weder sammle ich meine eigenen Arbeiten nach strategischen Gesichtspunkten noch sammle ich meine Teekannen strategisch. Ich gehe also in dieser Ausstellung mit Kunst anders um, als ich sie sonst nach außen zeige. Nach außen kuratiere ich viel mehr als ich es nun getan habe. Das Kuratieren wäre die Vorderseite der Augen. Was ich hier zeige, ist viel unstrategischer ausgewählt. Durch die Rückseite der Augen, die ja auch etwas blind ist, habe ich einen unbewussteren Zugriff.

Spannend! In Ihrer Arbeit vermischen sich Kunst, Architektur und Design – was fasziniert Sie an diesem Zusammenspiel?
Ich würde eher sagen, ich benutze Strategien aus anderen Feldern wie Design und Architektur aber nur, um dadurch etwas für die Kunst herauszufinden. Nur weil ich etwas mit einem Stuhl mache, gibt es keine Überlappung mit dem Design – für mich geht es immer um die Frage, was das für die Kunst bedeutet. Mich bewegt zum Beispiel die Frage, warum ein Stuhl keine Skulptur sein kann, warum man Kunst nicht mit geschlossenen Augen erleben kann … es gibt so viele Dinge, die einem erzählt werden und die ich mir auch selbst erzählt habe, von denen ich vermute, dass sie nicht immer richtig sind. Das interessiert mich. Und mein Leidensdruck ist groß genug, um jeden Morgen aufzustehen und an diesen Fragen herumzuschrauben.

Welche Idee oder welches Projekt hat sie zuletzt sehr begeistert?
Ein befreundeter Künstler, Rirkrit Tiravanija, erzählte mir, dass er eine Maschine bauen will, die eine japanische Teezeremonie vollzieht. Die Idee ist, dass man diese idealerweise absolut präzise, immer gleich ablaufende Zeremonie unmenschlich perfektioniert. Die Frage ist, ob in den winzigen Unterschieden der menschlichen Unpräzision nicht das eigentlich Interessante liegt. Man denkt ja immer, die Präzision und Perfektion wären das Ziel der Teezeremonie. Wenn man aber nun eine Maschine hat, die diese Präzision erreicht, dreht sich die Idee um. Das sind die besten Kunstwerke, die so etwas erreichen. Lustigerweise habe ich selbst vor vielen Jahren eine Arbeit gemacht, bei der es genau um diese Fragestellung ging, wahrscheinlich finde ich es deshalb so spannend. Auf die Arbeit freue ich mich schon sehr.

Photos Copyrights: Tobias Rehberger, through the back side of my eyes. GL STRAND, 2023. Photo by David Stjernholm, Portrait: SWATCH