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Review «neue räume 22»

FRITZHANSEN,Series7 ©FritzHansen

Nach einer unfreiwilligen Pause fand jüngst die Interior-Design-Ausstellung «neue räume» zum 11. Mal wieder statt. Rund 100 Aussteller kamen in der alten ABB-Halle in Zürich Oerlikon zusammen, um Wohntrends, Produktneuheiten und Designobjekte zu präsentieren.

Die etablierte Design-Messe gilt über die Grenzen der Schweiz hinaus als wichtige Präsentationsfläche und bedeutsamer Treffpunkt für das «Who is Who» der Möbelszene sowie für Design-Liebhaber. Als zusätzlicher Glanzpunkt zu den innovativen Herstellern aus dem In- und Ausland mit deren Produktneuheiten zeigt die «neue räume» traditionell in verschiedenen Sonderschauen aktuelle und kommende Wohntrends. Nebst einem spannenden Veranstaltungsprogramm, interessanten Produktneuheiten sowie kulinarischen Entdeckungen kehrte die Designwelt wieder zurück auf die Bühne in Zürich. 

VIFIAN MÖBELWERKSTÄTTE AG, Das modulare Aufbewahrungssystem TriobyMiaKepenek,BlackEdition ©MiaKepenek

Bunt und radikal

Eine der diesjährigen Sonderschauen war die Ausstellung «Frauen im Design». Dort wurden bekannte Möbel und Objekte von Designerinnen, welche sich seit Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts bis in die Gegenwart mit ihren Entwürfen einen Namen gemacht haben, präsentiert. Darüber hinaus hat der Verein «mobiglias – Handwerkskunst aus Graubünden» in einem Design-Wettbewerb Möbel und Objekte gesucht, die einen Bezug zu Graubünden haben und zudem handwerklich hergestellt wurden und vorzugsweise aus einheimischen Materialien bestehen. Die Mitglieder von «mobiglias» haben die Siegerarbeiten als Prototypen angefertigt und diese erstmals an der Sonderschau präsentiert. Wie erhofft – und erwartet – waren auch dieses Jahr die weltweit renommiertesten Möbelhersteller vertreten. Nach dem Credo «Wohnen ist da, wo wir uns wohl fühlen», begeisterte die (möglicherweise noch nicht weltweit) bekannte Schweizer Möbelwerkstätte «Vifian» aus Schwarzenburg mit dem stilvollen Garderobenmöbel «trio», das durch seine sensible Optik ebenso wie durch seine Vielseitigkeit besticht. Modular, mutig und multidimensional! Für poppige Aufmerksamkeit sorgten gewiss die beiden Marken «Gufram» und «Memphis Milano», die nun auch Teil von «Italian Radical Design» sind. Die neu ernannte Gruppe, wurde mit dem Ziel gegründet, italienische Designmarken zu stärken, welche sich durch einen unverwechselbaren und nonkonformistischen Ansatz auszeichnen. In der Schweiz stellten die beiden Labels nun erstmals gemeinsam bei «neue räume 22» aus und zwischen den vorwiegend farblich dezenteren Möbelobjekte auf der Ausstellung war die bunte Möbelwelt der Italiener unübersehbar. Fritz Hansen war erfreulicherweise auch dabei, diesmal mit einer Auswahl an kuscheligen Loungesesseln und natürlich dürfte Tom Dixon ebenfalls nicht fehlen, der dieses Jahr 20-jähriges Bestehen feiert sowie
Magis, Minotti, wb form, Skagerak, ClassiCon oder embru, um nur einige zu nennen.

OREA, Caminada © A. Herger

©ConstantinMeyer

Très chic in der Waschküche

Nebst Möbeln und Objekte gab es auch aus der Schweizer Textil- und Waschwelt Spannendes zu sehen. Etwa das Unternehmen Christian Fischbacher, das seit über 200 Jahren sinnliche und ästhetisch herausragende Heimtextilien herstellt. Zusammen mit der Architektin und Designerin Hadi Teherani wurde nun die gemeinsame «Contemporary Persia Collection» um zwei handgetuftete Teppichmodelle erweitert. Die Muster und Farben sind inspiriert von Designs aus dem Iran und kombinieren feinste Merinowolle mit schimmernder Seide und Bambus. Dass Wäschewaschen auch chic sein kann, bewies das Unternehmen Schulthess mit einem eleganten Waschturm, der sich nicht in der dunklen Wäschekammer verstecken muss. Und dass auch Kochen mit Design verbunden ist, belegte der spezielle Programmpunkt «Orea meets Caminada». Der mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnete Koch Andreas Caminada kreierte in Kooperation mit David Spielhofer die Kücheninsel «Orea AC». Orea plant Küchen als Herzensangelegenheit, die Küche soll inspirieren und zum Selbstkochen animieren. Moderiert von Anna Maier präsentierte Andreas Caminada das zeitlose Design mit seiner faszinierenden Materialisierung. 

CHRISTIAN FISCHBACHER, Contemporary Persia Moodboard © Jonas von der Hude

GUFRAM, Sofa Bocca Another green cactus © Gufram

GUFRAM, Magritta series © Gufram

CHRISTIAN FISCHBACHER, Contemporary Persia Collection, Teppich Afsun © Christian Fischbacher

Poesie der Fragmentierung

Wallace Chan auf der Kunst Biennale in Venedig

Ob filigrane, opulente Schmuckstücke aus Edelsteinen oder monumentale Skulpturen aus Titan – die Arbeiten des Chinesischen Künstlers Wallace Chan bringen immer auch seine buddhistische Philosophie zum Ausdruck. In Venedig ist seine Ausstellung „TOTEM“ im Kontext der 59. Kunst Biennale zu sehen. Wir trafen ihn zum exklusiven Interview in der Lagunenstadt. 

Bettina Krause: Was ist die Idee dieser Ausstellung?
Wallace Chan: Es sind die Fragmente einer zehn Meter grossen Skulptur, durch die sich die Besucher*innen bewegen. Thema ist die Ungewissheit – im abgedunkelten Ausstellungsraum ist kaum zu erkennen, wie sich die Fragmente wieder zusammenfügen lassen. In der Regel betrachtet man Skulpturen aus der Distanz als Ganzes, bewegt sich um sie herum und das Innere bleibt verborgen. Diese Idee wollte ich öffnen, sodass Betrachter*innen das Innere der Skulptur sehen können und zum Teil von ihr werden. Sie bewegen sich durch die Fragmente, die ich Totems nenne, gehen eine Bindung mit ihnen ein und erlangen immer wieder überraschende, ungewisse Perspektiven.

Dieser Gedanke steht sinnbildlich für unsere Weltordnung?
Richtig. Derzeit leben wir in sehr ungewissen Zeiten aber meine Hoffnung ist, dass sich die Fragmente der
Skulptur – und jene unsere Welt – wieder zu einem heilen Ganzen zusammenfügen lassen. Damit sich der Prozess der Konstruktion, Dekonstruktion und Rekonstruktion vervollständigt.

Blicken Sie also positiv in die Zukunft?
Derzeit wartet unsere Welt darauf, wieder repariert zu werden. Ich glaube, dass die Welt und wir als Menschen, die Kraft haben, selbst zu heilen. Wir müssen daran jedoch arbeiten. Die Ausstellung ist ein Sinnbild dieser Zusammenhänge und wird an unterschiedlichen Orten weltweit dekonstruiert und rekonstruiert. Im aktuellen Zustand erinnert sie an die Kraft und Möglichkeit, zu heilen und zurück zur Balance zu finden.

Was drückt der Titel „TOTEM“ aus?
Die Idee eines Totems ist unser Versuch als Menschen, eine Verbindung mit dem Unbekannten herzustellen. Zugleich ist es unsere Hoffnung auf etwas Grösseres ausserhalb unserer Realität. Zu meinen frühesten Kindheitserinnerungen gehören die kunstvollen Schnitzereien von Drachen, Phoenix und wundersamen Kreaturen an chinesischen Tempeln. Der Glaube besagt, dass man mit den Göttern verbunden ist, weil die Figuren in die Tempel geschnitzt sind. Die Idee des Totems ist unser Versuch, in die uns unbekannte Welt, in das Ungewisse vorzudringen.

Was können Besucher*innen aus der Ausstellung für sich mitnehmen?
Es geht darum, über den Prozess der Dekonstruktion und Rekonstruktion unseres Selbst zu reflektieren: Was ist unser Selbst? Was macht uns zu dem, was wir sind? Sind wir die, die wir zu glauben scheinen oder sind wir von der Gesellschaft geformte Wesen? Wir leben in einer Zeit des Informationsüberflusses und werden bombardiert mit Informationen. Manchmal denken wir, dies wäre ein Teil von uns, weil wir die Informationen ungefiltert in uns aufnehmen, ohne über unsere eigene Existenz zu reflektieren. Ich denke, dies ist ein guter Ort zur Kontemplation und um über die Idee des eigenen Selbst zu reflektieren – woher es kommt und wohin es geht.

Kann Kunst einen Beitrag leisten, die Krisen unserer Zeit zu bewältigen?
Ja, denn die Kunst hat die Kraft, uns zu helfen, zu transzendieren. Was wir auch derzeit in der physischen Welt erleben – sie gibt uns die Möglichkeit, von etwas Besserem, Höheren, Schönen, Gütevollerem zu träumen. Ich glaube an die Kraft der Kunst und ich kann mir eine Welt ohne sie nicht vorstellen. Ohne Kunst gibt es keine Hoffnung. 

TOTEM by Wallace Chan
20. April bis 23. Oktober 2022
Fondaco Marcello
Calle del Tragheto, Venedig

Photos Copyrights:  Massimo Pistore

Auf Eroberungskurs

Leon Löwentraut

Bereits mit zwölf verkauft Leon Löwentraut sein erstes Gemälde. Das war vor elf Jahren und seither ist viel passiert: Der Düsseldorfer ist um die Welt geflogen, hat in Metropolen wie Venedig, Wien, Kopenhagen, St. Petersburg, Singapur, London und New York ausgestellt. Seine Gemälde erzielen fünfstellige Beträge. Er betreibt Charity in seinem Namen und wurde jüngst auf die Forbes Liste der dreissig einflussreichsten Menschen im deutschsprachigen Raum unter dreissig Jahren gesetzt. Das Interesse an Löwentraut ist gross, doch wo gejubelt, wird bekanntlich auch geschimpft. Wo Fans einen jungen Picasso erkennen, ein Künstlergenie sondergleichen, vermuten Skeptiker einen smarten Marketingstrategen. Letztlich, das ist das Schöne an der Kunst, kann jeder für sich entscheiden, was ein Löwentraut bei ihm bewirkt. «Kunst ist Leben», so Löwentraut. Er selbst denke darüber von morgens bis abends und auch in der Nacht nach. ADAM THE MAGAZINE traf den Künstler in Zürich zum Gespräch.

Herr Löwentraut, immer weniger junge Menschen interessieren sich für Kunst, Netflix und Instagram werden Museums- und Galeriebesuche vorgezogen. Wie stehen Sie als junger Künstler dazu?
So sehe ich das nicht. Zu meinen Ausstellungen kommen viele junge Leute. Ich würde sogar sagen, dass das Interesse für Kunst gerade bei Jüngeren steigt. Allein auf Instagram folgen mir über 220’000 User.

Wofür braucht es Ihrer Meinung nach Kunst?
Ich persönlich brauche sie wie die Luft zum Atmen. Kunst ist aber nicht nur ein Lebenselixier, sondern auch ein Spiegel der Gesellschaft. Sie bildet den Zeitgeist ab und ist ihm manchmal sogar ein paar Schritte voraus. Zudem kann Kunst auf Lösungen aufmerksam machen und zu Innovationen anregen.

Ist Kunst der Wahrheit verpflichtet?
Um es in den Worten Picassos zu sagen: «Wenn es nur eine einzige Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über dasselbe Thema malen.» Wer entscheidet, denn was wahr ist?

Sie als Künstler können es für sich entscheiden und dann widergeben?
Vielleicht. Nur ist meine Wahrheit vielleicht eine andere als die Ihre. In meiner Kunst verarbeite ich persönliche Erfahrungen mit Menschen, insofern drückt sie meine Wahrheit aus.

Was macht ein Bild in Ihren Augen besonders?
Wenn es einen tiefen Eindruck hinterlässt. Wie auch immer, es das anstellt, es muss im Kopf bleiben, plötzlich zwischen den Gedanken auftauchen und nicht mehr weggehen, dann ist es ein besonderes Bild.

Gibt es Bilder von Ihnen, die Ihnen nicht gefallen oder gar welche, für die Sie sich schämen?
Nein, jedes Bild, das mein Atelier verlässt, ist in meinen Augen gelungen. Wenn ein Bild von mir nicht gut ist, zerstöre ich es. Als Künstler ist es für mich wichtig, dass ich mir einerseits treu bleibe, mich andererseits aber auch weiterentwickle, darin liegt die grosse Herausforderung für mich.

Wann wissen Sie, dass ein Bild fertig ist?
Eigentlich ist es das nie ganz. Aber ein Künstler spürt, wann der Zeitpunkt gekommen ist, um es in die Welt hinauszuschicken. Manche meiner Bilder stehen sechs Monate oder länger in meinem Atelier und ich arbeite immer wieder daran. Bei anderen hingegen geht es schneller. Ich merke intuitiv, wann ich nichts mehr hinzufügen kann.

Man hat Ihnen vorgeworfen, mehr Marketinggenie als versierter Künstler zu sein. Was sagen Sie dazu?
Ich bin Künstler und sonst gar nichts. Das Interesse an meiner Kunst ist so gross, weil die Leute meine Kunst lieben.

Wann hat dieses Interesse angefangen?
Ich habe mein erstes Bild an eine Pizzeria in Kaarst verkauft. Da war ich zwölf. Ich wusste früh, dass ich Künstler werden möchte. Zum Beispiel habe ich in der Schule, in der grossen Pause, Galerien angerufen und mich so um Ausstellungen bemüht. Irgendwann sind dann die Medien auf mich aufmerksam geworden. Es hat sie beeindruckt, dass ich in so jungen Jahren bereits derart auf Kunst fokussiert war.

Sie haben einst gesagt, dass Ihre Gemälde mal so bekannt werden sollen wie die Picassos. Das stiess manchem Journalisten sauer auf. Plötzlich war von Arroganz die Rede. Ist es Arroganz oder ist es unverblümter Optimismus?
Vor allem ist es der Wille, immer besser zu werden. Und die Freude, beim Malen viel zu experimentieren und immer wieder neue Ideen zu entwickeln. Kunst kennt keine Grenzen, hat keinen Horizont – alles ist möglich!

Woody Allen wurde aus der Filmschule geworfen, Sie wurden durch die Kunstakademie als Schüler abgelehnt. Was dachten Sie damals, hat Sie das geschmerzt?
Natürlich hat mich das geschmerzt. Heute aber denke ich, dass es letztlich besser für mich war. So konnte ich mich frei entwickeln. Die Akademie hätte mich vermutlich zu stark eingeschränkt.

Leon Löwentraut Kurzbiografie:

Der gebürtige Deutsche und sehr gefragte Künstler ist 23 Jahre alt und seine Werke konnten bereits in New York, London, Singapur, Kopenhagen sowie im Puschkin-Museum in St. Petersburg, im Palazzo Medici Riccardi in Florenz und in Zürich in der Galerie WOS bestaunt werden. Sein Stil hat eine expressive Wucht, ist abstrakt und sehr farbenfroh. Seine Ausstellungseröffnungen sind stets ein inszeniertes Ereignis. Löwentrauts Werke entstehen spontan und haben einen impulsiven Ausdruck. Bevorzugt malt er nachts, am Boden seines Ateliers bei lauter Musik. Dynamische und repetitive Ornamentstrukturen, gepaart mit abstrahiert-expressiven Menschen, Köpfen und Silhouetten gehören dabei zu dem bevorzugten Bildkanon des Düsseldorfer Künstlers. Damit offenbart Leon Löwentraut seinen Blick auf die Welt und damit einhergehende Geschehen. Seine Sujets sind vielseitig, beschäftigen sich mit Menschen und dem Zwischenmenschlichem. Berühmt ist seine Kampagne, die von Nachhaltigkeit geprägt ist, «#Art4Global Goals» sowie seine Kunstaktion «Global Gate» auf dem Frankfurter Flughafen. Weitere Stationen des «Global Gate Konzepts» werden Dallas, Singapur und Hongkong sein. Seine Werke verströmen unbändige Lebensfreude und Zuversicht, zwei Facetten, die den Nerv der Zeit treffen.

Ost trifft West

Einrichten im Japandi-Stil bedeutet, sich einen stilvollen Freiraum zu schaffen.

Man nehme eine gehörig grosse Portion japanischen Minimalismus und füge diesem eine ebenfalls nicht zu unterschätzende Masse an nordischem Design hinzu – und fertig ist der Wohntrend 2021. „Japandi“ ist ein Mix aus dem beliebten skandinavischen „Hygge“-Style und der japanischen Wabi-Sabi-Philosophie, die auch als das Konzept der Wahrnehmung von Schönheit gilt. Offensichtliche Kernelemente des Japandi sind natürliche Farben, schlichte Formen und vor allem Holz. Während die Nordeuropäer hier helle Hölzer von Fichte oder Eiche zum Interieur beisteuern, kommen aus dem asiatischen Raum eher dunkle Designstücke aus Akazie oder Walnuss. Stilvoll umgesetzt zeigt sich dies beispielsweise in Form eines massiven Eichholztisches, der von dunklen Holzstühlen flankiert wird.

Weniger ist mehr

Bei den Materialien steht ebenfalls das Natürliche im Vordergrund. Verwendet werden Leinen, Jute, Baumwolle, Papier, Rattan und Keramik, und diese am besten in den Farben Braun, Beige oder Terracotta. Ergänzt durch optische Highlights in indigoblau, smaragdgrün und aubergine. Grundsätzlich geht es beim Japandi darum, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und alles Überflüssige wegzulassen.

Es wundert daher nicht, dass der Wohntrend besonders Minimalisten begeistert. Deko-Artikel und andere Accessoires werden dabei nicht gänzlich aus dem Zimmer verbannt, sie werden jedoch nur ganz bewusst und in der Regel als funktionaler Eyecatcher platziert.

Ein Wandspiegel, der den Raum optisch grösser erscheinen lässt, oder bewusst platzierte Lichtinseln wie eben auch Grünpflanzen, die den Blick auf sich ziehen und unsere reizüberfluteten Sinne zur Ruhe kommen lassen, so geht Dekorieren im Japandi-Style. Nicht fehlen dürfen zudem zwei für den japanischen Einrichtungsstil bekannte Elemente: Raumteiler, die sogenannten Paravents, und niedrige Möbelstücke wie ein Futonbett oder ein entsprechend tiefergelegtes Sofa. Keramikvasen mit japanischen Schriftzeichen sind zudem ein Statement, auf das nicht verzichtet werden sollte. Von „Hygge“ inspiriert werden ausserdem auch Kissen und Decken zum funktionalen Extra. Wichtig jedoch: Nichts übertreiben und sich bei jedem Stück fragen, ob es das wirklich (noch) braucht.

Ein Ort der Ruhe

Der Begriff Japandi ist übrigens ein Kofferwort aus den beiden Begriffen „Japan“ und „Scandic“. Und so ganz neu ist der Stil – wir müssen ja ehrlich sein – auch nicht. Schon vor rund 150 Jahren liessen sich dänische Architekten auf einer Japanreise von der schlichten Eleganz des dort gelebten Wohnstils inspirieren. Doch so richtig Einzug in unser Zuhause hat der klare und sehr zurückhaltende Look erst jetzt gehalten. Ob es daran liegt, dass wir alle mehr daheim sind und trotz eingeschränkter Bewegungsfreiheit den Wunsch nach Grosszügigkeit vermissen, sei dahingestellt. Fakt ist, Japandi sorgt für stilvolle, heimelige Rückzugsorte. Und die tun jedem von uns gut – jederzeit!

Photos Copyrights: Pfister, Carl Hansen, IMM Cologne/Kettler/SICIS, Vitra, COR, Shutterstock

Lidewij Edelkoort

Die Sehnsucht nach der Zukunft

Li Edelkoort, so wird ihr Name meistens abgekürzt, ist eine viel beschäftigte Frau, die immer auf der Suche nach gut verkäuflichen Informationen ist, wie wir in Zukunft wohnen, was wir anziehen, mit welchen Materialien oder Farben wir uns umgeben möchten.

Als intuitive Denkerin durchleuchtet sie die Entwicklung soziokultureller Trends, bevor sie diese mit ihren Kunden aus verschiedensten Industriezweigen wie beispielsweise Einrichtung, Fashion, Einzelhandel, Textil, Automobil, Food und Kosmetik teilt. Unter ihrem in Paris ansässigen Unternehmen Trend Union gibt Li Edelkoort Trendprognosen zwei Jahre im Voraus heraus. Die verschiedenen Trendbücher erscheinen halbjährlich und werden von Strategen, Designern und Marketingspezialisten von verschiedenen internationalen Marken und Firmen für ihre Arbeit verwendet. Sie weiss wie kein anderer zu verbinden, was war, was ist und was kommen wird.

Mode und ihre neue Wirkung

Während wir dieses neue Kapitel in der Geschichte aufschlagen, blicken wir zurück auf die Kunsthelden und -heldinnen unserer jüngsten Vergangenheit. Inspiriert von der Essenz ihres kreativen Geistes, können wir von ihrer Philosophie ebenso viel lernen wie von ihrer Ästhetik. Die Vitalität dieser Vorbilder wird nun einen neuen Ton für die kommenden Jahre vorgeben. Deshalb werden Moden verunsichert, Stoffe überholt, Materialien beschichtet, verändert und herausstaffiert. Wir können viel von Aussenseiter-Designern lernen, von innovativen Farben, strassentauglichen Kombinationen und fliessenden Praktiken, die alle Geschlechter, Altersgruppen und Rassen miteinander vermischen, mit besonderer Ehrfurcht vor dem Ausdruck der Einheimischen. Einen Trend in der Mode betitelt sie als „Animismus“.

Das Ergebnis ist atemberaubend und bahnbrechend. Es verlagert den Kauf von Kleidungsstücken von einem Akt des Konsums zu einem Akt des Kuratierens und zielt auf eine präzise Auswahl ab, die zu Objekten wird, die mit Energie und Kameradschaftlichkeit durchdrungen sind: Kleidungsstücke, die wie Freunde sind. Sie sind zeit- und alterslos und werden zu klugen Investitionen auf lange Sicht. Diese Präsentation ist daher die nächste in einer Reihe von saisonlosen Konzepten, bei denen die Kleidung von Trends und Marketing abgekoppelt wird und nach einer alternativen, tieferen Bedeutung sucht. Sich um den Planeten und die Menschen zu kümmern, Hoffnung für die Zukunft zu geben. Alle Kleidungsstücke haben ihre eigene Identität und können die Verwirklichung einer kleinen Kollektion motivieren, die eine Auswahl nach Mass bietet. Ein neuer Weg zur Kreativität und auch irgendwie die Sehnsucht nach einer neuen Zukunft.

Die Saison Herbst/Winter 2021/22 wird bestimmt durch Inspiration, die sich zum einen aus dem Natürlichen, dem Erdigen und dem Strukturellen ergibt und im Gegensatz dazu durch einen digitalen Aspekt, der sich auf verbesserte Lebensvisionen durch Virtual Reality, 3D-Software und Augmented Reality konzentriert. Die Farben der Herbst/Winter Saison 2021/22 folgen diesen beiden Aspekten und neigen zu warmen, beruhigenden neutralen und einfachen Grautönen, denen euphorische Pastelltöne oder mysteriöse Unterwasser-Blaugrüntöne gegenüberstehen. Entsprechend der Zeitstimmung sind die Formen entspannt und schützend und die Schnitte unstrukturiert und grosszügig, damit wir uns „einhüllen“ können.

Im Gegensatz dazu führen innovative neue Materialien oder der Wunsch, Stärke zu zeigen, zu kühnen skulpturalen Formen, die mit einer Erweiterung des Körpers spielen. Diese Wertschätzung, die den Ursprung in der Natur findet, wird sich mitunter auch eine bewusstere Lebensweise zeigen. Edelkoort sagt auch eine verstärkte Nutzung von Zügen statt Flugzeugen sowie Elektroautos oder E-Scootern voraus. Besonders entscheidend ist für die gebürtige Holländerin jedoch der Wandel der Konsumgewohnheiten: Weniger unüberlegte Impulskäufe, weniger zwanghaft – dafür sinnvoll und nachhaltig.

Lidewij Edelkoort ist Trendprognostikerin, Verlegerin, Menschenfreundin, Designpädagogin und Ausstellungskuratorin. Ihr Unternehmen Trend Union produziert Werkzeuge für Designer, Werber und Strategen in Unternehmen auf der ganzen Welt. 2015 machte sie mit ihrem viel diskutierten Anti_Fashion Manifesto erstmals auf die Veränderungen und Umwälzungen aufmerksam, die die Modeindustrie derzeit erlebt. 

„Der neue Luxus will sehr komfortabel und nachhaltig sein, aber wunderschön gemacht.“

Von 2015-2020 war sie Dekanin für hybride Designstudien an der Parsons in New York, wo sie einen Textil-Master und das New Yorker Textile Month Festival im September gründete. Edelkoort wurde vom TIME Magazine und Business of Fashion schon zu einer der einflussreichsten Personen in der Modebranche ernannt und gilt weithin als eine der einflussreichsten Personen im zeitgenössischen Design.  Ihre zum Nachdenken anregenden Schriften und Podcasts erfreuen sich zunehmender Beliebtheit in einer Zeit, in der sie als Aktivistin und Vorkämpferin für Veränderungen gilt. Im Jahr 2020 wurde sie von der niederländischen Zeitschrift Harper’s Bazaar zur Frau des Jahres (Oeuvre Award) gewählt, während sie das World Hope Forum als Plattform gründete, um die kreative Gemeinschaft zum Wiederaufbau einer besseren Gesellschaft zu inspirieren.

Photos Copyrights: Thirza Schaap, Shutterstock

Designobjekt auf zwei Rädern

Pünktlich wenn die wärmere Jahreszeit eingeläutet wird, bringt Porsche zwei neue E-Bike-Modelle auf den Markt.

Zeitloses Design, herausragende Technik und die Faszination der Marke selbst vereinen sich in den beiden Modellen Porsche Sport und Porsche Cross.

Somit gilt: Volle Fahrt voraus! Dank der Magura Cockpit Integration (MCi), mit der in den Lenker integrierten Brems- und Schaltkabelführung, hat man beim Porsche eBike Sport ein reduziertes Cockpit. In Verbindung mit dem Shimano-Farbdisplay, das unter anderem Geschwindigkeit, Distanz und Reichweite in Echtzeit anzeigt, kann man sich so auf das Wesentliche konzentrieren: die Strasse.

The Supernova LED front light with headlight function is elegantly embedded in the handlebars and allows you to keep track of your surroundings. Day and night.

Mit dem elegant in den Lenker eingelassenen Supernova LED-Frontlicht mit Fernlichtfunktion behält man immer den Überblick. Tag und Nacht.
Mehr Abenteuer ergattert man mit der „Cross-Version“. Besonders dann, wenn man sich abseits von bekannten Pfaden bewegt. Das E-Bike vereint Stil mit Abenteuerlust und bietet dem Benutzer ausgewählte Mountainbike-Komponenten. Der ergonomisch geformte Lenker, das Shimano-Farbdisplay lassenSie auch auf schwierigem Terrain immer „on-track“ sein. Porsche rät: „Tauschen Sie den Takt des Alltags gegen den Ihres Herzschlags“.

Diese E-Bikes sind eben elektrisierend bis ins kleinste Detail.

www.porsche.ch

Porsche E-Bike Sport

Porsche E-Bike Cross

Photos Copyrights: Porsche

Trend Tic Tac Toe

Vermutlich verbringen wir noch eine Weile Zeit zuhause und mit uns selbst. Komfortable aber stylische Kleidungsstücke sollten wir uns deshalb aber trotzdem an den Leib haften.

ARRELS BARCELONA

Diese Badeshorts mit Kordelzug am Bund verfügt über einen Navy One Love-Print, der vom Label Batabasta entworfen wurde.

DIOR

Sonnenbrille im Aviator-Style.

SAINT LAURENT

Ein fliessender Jersey-Stoff und eine legere Passform mit grafischem schwarz-weissem Palmen-Print zeichnen dieses modische Hemd aus.

BALENCIAGA

Die erstmals im Jahr 2018 präsentierten Sneakers Track des namhaften Brands wurden für diese graue Version aus mehreren Lagen Leder und Mesh gefertigt.

ANTI SOCIAL SOCIAL CLUB

Bei diesem Brand wird das Negative zum Positiven. Neek Lurk, der Gründer, liebt es, kontroverse Produkte zu designen.

GUCCI

Nicht schlapp machen. Fedora-Hut mit braunen Lederriemen aus Canvas.

JACQUEMUS

Dieser einreihige Oversize-Blazer mit fallendem Revers in Gelb ist aus Baumwolle gefertigt und verfügt über eine verspielte asymmetrische Knopfleiste.

BOTTEGA VENETA

Diese in leuchtendem Rot gehaltene Tote Bag von Bottega Veneta wurde in Italien meisterhaft mit der für das Label typischen Intrecciato-Machart gefertigt.

FENDI

Das Leinen T-Shirt schmeichelt mit einer schmalen Silhouette und einem dezenten Logo-Print.

Photos Copyrights: © Fendi, Gucci, Bottega Veneta, Anti Social Club,Balenciaga, Jacquemus, Saint Laurent, Dior, Arrels Barcelona

Uhren in Zeiten wie diesen

Die Pandemie schlägt Wellen. Auch in der Uhrenindustrie. Das jedoch hält viele Marken nicht davon ab, auch im Virus-Frühjahr 2021 spannende Mechanik-Neuheiten vorzustellen. Auf der folgenden Seite finden Sie eine kleine Auswahl.

Stossfestes aus Schaffhausen

Sie hält mächtig viel aus, die neue IWC „Big Pilot’s Watch Shock Absorber XPL“ mit innovativem 44 Millimeter „Ceratanium“-Gehäuse. Möglich macht es das während acht Jahren entwickelte „SPRIN-g PROTECT System“. Bei ihm hängt das Uhrwerk im Inneren der Schale an einer freitragenden Feder. Deren Form und die Verwendung von Bulk Metallic Glass (BMG) bewirken, dass Beschleunigungskräfte von mehr als 30.000 g dem Manufakturkaliber 32115 mit Werkplatte aus einer raumfahrterprobten Aluminiumlegierung nichts anhaben können.

Transparenz gross geschrieben

Saphir ist hart und kratzfest, aber keineswegs unzerbrechlich. Deswegen sollte man das brandneue Hublot „Big Bang Integral Tourbillon Full Sapphire“ auch nicht auf einen Steinboden fallen lassen. Erstmals in der Armbanduhr-Geschichte bestehen sowohl die 42-Millimeter-Schale als auch das Gliederband aus dem vollkommen transparenten Werkstoff. Titan dient zur Fabrikation der Faltschliesse. Um die Zeit kümmert sich bei jedem der nur 30 Exemplare das hauseigene Kaliber HUB6035 mit Mikrorotor-Selbstaufzug, 72 Stunden Gangautonomie und Tourbillon.

Kalendarische Ewigkeit

Einmal mehr in ihrer 27-jährigen Geschichte erfährt die Familie der 1994 lancierten „Lange 1“ tickenden Zuwachs. Erhältlich ist die neue „Lange 1 Ewiger Kalender“ unlimitiert in Rotgold. Ausserdem fertigt A. Lange & Söhne 150 Exemplare in Weissgold an. Ihr Automatikkaliber L021.3 besteht aus 621 Komponenten. Rein theoretisch bedürfen das springende Grossdatum, die retrograde Wochentaganzeige, der peripher drehende Monatsring und die digitale Schaltjahresindikation im Februar 2100, die Mondphasen erst nach 122,6 Jahren einer manuellen Korrektur.

Uhr zum Schutz der Wattenmeere

Wer sich eine der 2009 stählernen „Aquis Dat Watt“ von Oris ans Handgelenk schnallt, leistet damit einen Beitrag zur Erhaltung des Wattenmeers. Die Limitierung resultiert aus der Tatsache, dass die UNESCO diesen malerischen Landstrich vor den Küsten Dänemarks, Deutschlands und Hollands 2009 zum Weltkulturerbe deklarierte. Für sichere Watt-Wanderungen besitzt die Automatik-Armbanduhr mit 43,5 mm Durchmesser am Zifferblatt eine ausgeklügelte kombinierte Mondphasen-Gezeiten-Indikation. Der zugehörige Zeiger rotiert in 29,5 Tagen um seine Achse.

Den Glücklichen schlägt jede Stunde

Deutsches Design und Schweizer Uhrmacherkunst finden in der MeisterSinger „Bell Hora“ zu klangvoller Synthese. Diese Armbanduhr, Durchmesser 43 mm, bringt akustisch zum Ausdruck, dass dem Glücklichen jede Stunde schlägt. Wenn 60 Minuten verstrichen sind, lässt ein kleiner Hammer den unter dem Zifferblatt angeordneten Gong erklingen. Per Knopfdruck kann man der vom eidgenössischen Automatikkaliber Sellita SW200 angetriebenen Mechanik natürlich auch wieder Stille verordnen.

Tickender Silberling

Keine Frage: Im Zusammenhang mit Uhrengehäusen wirkt Silber polarisierend. Bekanntlich neigt das Edelmetall zum Anlaufen. Ausserdem ist der Werkstoff mit 70 Vickers nicht sonderlich hart. Trotzdem hat sich Tudor entschieden, die bis zu 20 bar wasserdichte 39-Millimeter-Schale der neuen „Black Bay Fifty-Eight 925“ aus hochwertigem Sterlingsilber zu produzieren. Über die verwendete Legierung legt die Manufaktur eisernes Schweigen ab. Neu ist ein Sichtboden, hinter dem die Manufaktur-Automatik MT5400 tickt. Für sicheren und komfortablen Halt am Handgelenk sorgt ein französisches Textilband.

Photos Copyrights: © IWC, ORIS; Hublot, A. Lange & Söhne, Meistersinger, Tudor

Dr. Pascal Botteron

„Speziell in turbulenten Zeiten hilft eine gute ESG-Kultur, den Sturm besser zu überstehen.“

Die Aspekte Umwelt, Soziales und Führung entscheiden nicht nur in der Wirtschaft über Erfolg und Misserfolg, sie werden auch in der Finanzindustrie zunehmend zu einem wichtigen Unterscheidungselement.

Dr. Pascal Botteron ist Mitbegründer und CEO von Green Blue Invest, einem Schweizer Unternehmen, das sich der Entwicklung von ESG-Anlagelösungen widmet. Das Kernangebot von Green Blue Invest besteht aus ESG-Investmentprodukten, deren Bewertung von der Qualität der Corporate Governance ausgeht. Vor der Gründung von Green Blue Invest war Dr. Pascal Botteron in den letzten 25 Jahren in den Bereichen Risikomanagement, Portfoliomanagement und Impact Investing im Bankwesen, in der Beratung und als Akademiker tätig. So hatte er unter anderem verschiedene Positionen im Bereich Global Investment bei der Deutschen Bank im Asset and Wealth Management in Grossbritannien sowie in der Schweiz inne. Zudem war er Professor und Dozent an der Universität Lausanne, der Swiss Banking School, Thunderbird, der Universität Zürich und der HEC in Paris.

Wofür steht ESG genau?
Dr. Pascal Botteron: ESG ist eine weit verbreitete Terminologie, die definiert, wie ein Unternehmen ökologische (Environmental), soziale (Social) sowie Führungs-Aspekte (Governance) behandelt. Dahinter steht das Ziel, Standards zu setzen, dass Anleger in Unternehmen investieren können, die gute ESG-Merkmale aufweisen. Oder mit anderen Worten: Anleger sollen zielgerichtet investieren können. Es ist erwähnenswert, dass es sich nicht um ein neues Konzept handelt. So tauchte die Terminologie erstmals in mehreren Forschungsarbeiten auf, die vor 15 Jahren von den Vereinten Nationen initiiert wurden. Das Ziel dieser Studien war es, hervorzuheben, dass andere Faktoren als finanzielle bei Investitionen in ein Unternehmen zumindest von gleicher Bedeutung sind. Faktoren, wie die Art und Weise, wie ein Unternehmen sich mit Umweltfragen beschäftigt, wie es sein Humankapital schützt und wie es eine Unternehmenskultur pflegt, wurden dabei alle erwähnt.

Gibt es einen Unterschied zwischen den USA und Europa hinsichtlich der Bekennung zu ESG?
Heute ist der Umweltaspekt in Europa ein zentrales Element, während es in den USA der soziale Aspekt ist. Dies zeigt die unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen auf beiden Seiten des Atlantiks. Die Realität in Europa sieht so aus, dass der Klimawandel – vor allem nach der Pariser Konferenz – ein riesiges Thema ist, das von Politikern und vielen Wirtschaftsführern nach breiter Einflussnahme durch Wähler und neue Generationen aufgegriffen wird. Es dauerte jedoch wahrscheinlich noch ein Jahrzehnt, um eine breite Akzeptanz von ESG in der Finanzwelt zu erreichen. Es gab das Missverständnis, dass Unternehmen, die sich verstärkt um die Thematik ESG kümmern, dazu neigen, unterdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen. Die letzten zehn Jahre zeigen jedoch, das ist ein Irrtum. Wir haben gesehen, dass die fundamentalen Triebkräfte hinter einer guten und integrierten ESG Kultur auch dazu beigetragen haben, eine Outperformance am Markt zu erzielen.

Sie haben eine besondere Art und Weise, Unternehmen nach ESG-Kriterien zu überprüfen – würden Sie das kurz erläutern?
Eine gute ESG-Investition setzt grundsätzlich voraus, dass die drei Elemente bei der Investitionsentscheidung berücksichtigt werden. Leider tendieren die Investitionen heute dazu, nur ein oder zwei der drei Elemente zu berücksichtigen. Wir sind der Ansicht, dass die drei Aspekte auf integrierte Weise angegangen werden sollten. In diesem Zusammenhang ist der Schlüssel unter den drei ESG-Elementen das „G“. Der Vorstand eines gut geführten Unternehmens wird zweifellos ein gutes „G“, ein gutes „E“ und ein gutes „S“ praktizieren. Jüngste akademische Untersuchungen haben dafür bereits den Beweis geliefert.

Wie lässt sich das „G“ messen?
Wir haben uns für eine Methode entschieden, die auf der Verarbeitung natürlicher Sprache basiert. In den linguistischen und psychologischen Wissenschaften ist es allgemein anerkannt, dass man den Charakter eines Individuums durch die Sprache definieren kann, die es benutzt.

Zum Beispiel wird jemand, der in jedem Satz „Ich“ sagt, dazu neigen, egozentrisch zu sein, während jemand, der „Wir“ verwendet, eher zum Teamplayer tendiert. Um die Qualität der Unternehmensführung zu extrahieren, verwenden wir dasselbe Prinzip. Wir nutzen ein proprietäres Wörterbuch mit 7‘000 Wörtern, dass die „G“-, aber auch die „E“- und „S“-Dimensionen erfasst. Diese Wörter sind positiv oder negativ. Wir analysieren die Jahresberichte von Unternehmen und können anhand der Häufigkeit des Auftretens dieser Wörter die Qualität der ESG-Politik eines Unternehmens statistisch extrahieren. Da der Jahresbericht unter der Verantwortung des Vorstands steht, erfassen wir den „Ton von oben“ und können eine Diagnose über die Qualität der Unternehmensführung stellen und darüber, wie sie die Integration einer ESG-Politik beeinflusst.

Am Ende des Tages zählt für einen Anleger die Performance, nicht wahr? Wie schneiden Ihrer Meinung nach ESG-Produkte im Vergleich zur Benchmark ab?
Ich stimme Ihnen voll und ganz zu.
Wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass ESG-Indizes eine bessere Performance erzielt haben als traditionelle Indizes. Einige Anleger betonen die Tatsache, dass sich dies durch das Fehlen von Öl- und Gasunternehmen erklärt. Das trifft teilweise zu, stellt aber nur einen kleinen Beitrag dar. Wir glauben, dass die Mehrheit der Unternehmen mit einer echten und ehrlichen ESG-Kultur widerstandsfähiger und agiler sind und daher dazu neigen, ihre Konkurrenten regelmässig zu übertreffen. Im Jahr 2020 hat sich dieses Phänomen verstärkt, was zeigt, dass in einer Zeit besonderer Herausforderungen eine gute ESG-Kultur hilft, den Sturm besser zu überstehen.

Wie entwickelt sich die Nachfrage nach ESG Produkten und welche Investoren sind interessiert?
Es gibt eine massive Verlagerung von Vermögenswerten auf ESG-Produkte, was eine gute Nachricht ist. Unternehmen sind gezwungen, sich mit dem Thema zu befassen. Dieses Jahr zeigten sich „netto-positive“ Ströme in ESG-Fonds und „netto-negative“ Ströme in Nicht-ESG-Fonds.

Dafür gibt es viele Gründe. Erstens haben viele Regierungen Vorschriften erlassen, um institutionelle Anleger zu einem Investment in ESG-Produkte zu zwingen. Länder wie Frankreich, Schweden und die Niederlande sind Vorreiter. Ausserdem reagieren viele Banken darauf, indem sie der Forderung der neuen Generationen – der Jahrtausendgenerationen – nachkommen, die an der Notwendigkeit eines Wandels einschliesslich einer Änderung der Investitionsweise festhalten. Der Trend ist aufgegriffen worden, und nun besteht die Notwendigkeit, auf diese Nachfrage mit mehr Produktlösungen zu reagieren.

Wie lange brauchen Unternehmen Ihrer Meinung nach, um die ESG Kriterien vollständig zu erfüllen?
Der Übergang wird sich wahrscheinlich in den nächsten Monaten und Jahren beschleunigen, aber es bleibt es ist noch ein langer Weg. Je nach Land wird es einige Jahre bis zu einigen Jahrzehnten dauern. Die jüngste Outperformance von ESG-Produkten gegenüber Nicht-ESG-Produkten ist definitiv ein Auslöser für die Beschleunigung. Um diesen Trend fortzusetzen, sind drei Elemente von entscheidender Bedeutung. Es braucht erstens einen guten Aufklärungsprozess, um sicherzustellen, dass jeder versteht wie man einen guten ESG-Standard umsetzt – vom Investor bis zum Entscheidungsträger. Zweitens benötigen wir Industriestandards, die garantieren, dass alle ESG-Produkte den ESG-Regeln entsprechen. Und drittens ist die Unterstützung der Entwicklung einer neuen, voll und ganz auf ESG ausgerichteten Industrie unabdingbar. Mit anderen Worten, es besteht ein Bedarf an ESG-Produkten, mehr ESG-Beratern und mehr ESG-Produktmanagern, um auf den Übergang zu reagieren.

ESG ist jetzt im Trend. Was passiert, wenn sich die Unternehmen schnell umstellen und ESG plötzlich alltäglich wird?
Das wäre perfekt! Es bedeutet ja, wir hätten unsere Arbeit getan. Unser Ziel ist es, die Unternehmen zu einer guten Leistung zu zwingen. Derzeit sieht die Realität anders aus. Noch immer hat die überwiegende Mehrheit der Unternehmen, Investoren und Politiker das Konzept nicht aufrichtig angenommen.

Wir sind davon überzeugt, dass der Wandel auf der Vorstandsebene aller Unternehmen beginnen wird, daher müssen die Vorstandsmitglieder zu diesem Wandel motiviert werden.

Welches sind Ihrer Meinung nach aktuell die drei grössten Herausforderungen, damit die Finanzindustrie ESG vollständig integriert?
Die ESG-Branche ist noch neu und wird von vielen Anlegern immer noch als Nische betrachtet. Sie befindet sich jetzt definitiv an einem Wendepunkt, da einige der grössten institutionellen Anleger und sehr vermögende Privatpersonen begonnen haben, vollständig auf ESG umzustellen. Wir erwarten, dass sich noch mehr dieser Umstellung anschliessen werden. In diesem Zusammenhang wird es von entscheidender Bedeutung sein, dass erstens eine Finanzindustrie gute ESG-Produkte entwickelt, zweitens Berater dafür sorgen, dass diese Produkte den ESG-Standards entsprechen, und drittens, dass ESG-Produkte die drei ESG-Elemente mit einem klaren Ziel der Marktüberperformance integrieren.

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Geschüttelt oder gerührt?

Ganz nüchtern betrachtet: Ein gepflegter Rausch ist von Zeit zu Zeit durchaus erstrebenswert. Womit, wann und wie der feine Fokusverlust derzeit am stilvollsten gelingt, verraten uns drei der besten Master Mixologists der Welt.

Der 20th-Century-Cocktail

„Mein «Pick me up», um vom Tag in den Ausgehmodus überzugleiten.“

Sein Gin Basil Smash ist seit 2008 weltweit auf Siegeszug: Doch nicht nur aufgrund seiner Eigenkreationen zählt Jörg Meyer zu den besten seines Fachs. Der Macher des legendären Hamburger „Le Lion“ (Boilerman Bars, Cinchona Zürich etc.) weiss auch mit feinen Anekdoten um die Historie der Klassiker zu bezirzen. Während er zum Fokussieren einen Martini empfiehlt, wählt Meyer den 20th Century für den gepflegten Fokusverlust. „Zu welchem Typ Trinker der Cocktail passt? Zum Erfahrenen. Er sucht nicht mehr. Geniesst und beobachtet.

Könnte ich aussuchen, wäre eine ikonische Grossstadt-Bar der perfekte Ort, um diesen Cocktail zu geniessen. Interessante Menschen, elegant gekleidet, schaffen eine einzigartige Stimmung. Es ist früher Abend und alle tragen die Spannung in sich: Was wird die Nacht bringen? Den 20th Century gibt es seit den 30er-Jahren. Er wurde gemixt für die Jungfernfahrt des 20th Century Limited Trains, des elegantesten Schnellzugs Amerikas. Ein beeindruckendes Wunderwerk der Technik im Art-Deco-Design mit einer Bar. Ich bin ja der Meinung, dass ein Trinker für sich etwas Altes ausgraben und es mit den richtigen Zutaten über die Zeit perfektionieren sollte. Für mich braucht es hier einen Gin, der einen anschreit. HEPPLE. Viel davon. Frische Zitrone. Einen sehr raren Wein, Bitter aus Korsika, denn nur er sorgt für einen langen Nachhall am Gaumen. CAP CORSE! Und die geheime Zutat, eine Hommage an die eleganten Roaring Twenties, einen Créme de Cacao blanc. Ein exotisch gewürzter, kristallklarer Kakao Brand: DUTCH CACAO.

Beim ersten Schluck des Cocktails springt einen der Wacholder an. Man ist dankbar. Entspannung pur – kein sonstwie gearteter Kreativausbruch im Glas. Dann kommt die Erfrischung durch die Zitrone. Herrlich. Eine Viertelsekunde später kämpfen Zitrone und Kakao am Gaumen um die Vorherrschaft. Zum gustatorischen Vorteil des Gaumens. Es folgt das lange Finale. Man nimmt die Weinnote durch den Cap Corse war. Kann nicht zuordnen, findet dann aber überraschenden Frieden, wenn sich die vier Aromen von Wacholder, Zitrone, Kakao und Wein zu einem unerwarteten Geschmackserlebnis verbinden. Was folgt ist Umami. Man sitzt, schweigt, geniesst. Das Theater an der Bar. Und das Orchester im Mund. Staccatissimo! Mein „Pick me up“, um vom Tag in den Ausgehmodus überzugleiten. Und nie vergessen: Der Rausch zeigt den wahren Charakter. Wer hier sein Gesicht verliert, sollte an sich arbeiten.

jrgmyr.net | lelion.net

Ich empfehle:

„Karibikurlaub im Glas“

Philipp Kössl, Master Mixologist im Zürcher Gastrotempel IGNIV, inspirierte der Lockdown zu seinem aktuellen Lieblingsdrink: „Die CryZtal Colada ist ein Smoothie, und wie ich finde, sehr coole Abwandlung des exotischen Evergreens. Durch das „milk washing“ – eine Technik aus dem 17. Jahrhundert – bekommt er bei uns eine klare, leichte Note und ist so viel frischer als die herkömmliche Variante. Bei Rum denke ich automatisch an Lebensfreude und die Leichtigkeit des Sommers. Und an Party mit jeder Menge Freunde. Da vieles davon 2020 in weite Ferne gerückt ist, wollte ich die Sehnsucht in einem Cocktail erlebbar machen. Ich sage immer: Es ist eine Pina Colada im weissen Smoking – elegant, null klebrig, das pure Aroma der Karibik. Ein Drink, der frisch und funky startet, nach Rum und Ananas schmeckt, danach kommt der Kokos-Kick. Der Spass mündet in einem extrem langen Finish und Mega-„Schmelz“. Passt dieses Jahr also rund um die Uhr, Sonnenurlaube sind im „real life“ schliesslich nach wie vor eher schwierig.

Dieser Wohlfühldrink ist wie gemacht für eine easy und entspannte Atmosphäre: Ein paar wärmende Sonnenstrahlen, die ins Zimmer fallen, dazu Izzy Bizu, deren Song „Diamond“ mir ein Lächeln aufs Gesicht zaubert und keine Termine – das ist der CryZtal, Karibikurlaub im Glas. Damit es kein böses Erwachen gibt, empfehle ich übrigens folgendes Credo: Know your limits and don’t try to impress anyone. Ab und an ein Schluck Wasser hat übrigens auch noch keinem geschadet. Spätestens bevor einem die Kokosnuss auf den Kopf fällt, ist es dann Zeit für einen unserer IGNIV Mocktails.“

igniv.com

„Sobald die Kirsche nicht mehr schmeckt, ist der Zauber vorbei!“

Tina Turner, Bill Clinton und Arnold Schwarzenegger waren bereits seine Gäste, doch auch ohne Starstatus dürfen die Künste von Master Mixologist und Autor Hercules Tsibis in der Zürcher ONYX-Bar des Hotel Park Hyatt genossen werden. „Einer der Drinks, der mich wirklich auf eine Reise mitnimmt, der mich abdriften lässt in eine andere Ära, ist ein Klassiker: der Manhattan! Oder besser gesagt MEIN Manhattan! Wenn nicht der Unsterblichste von allen, dann muss man sagen, dass es einer der wundervollsten Drinks ist, die jemals erfunden wurden. Die perfekte Tages- oder Nachtzeit des Geniessens? Ich halte mich in diesem Punkt an Ernest Hemingway , einem der grössten Bargänger und Trinker unter den alkoholisierten Literaten. Morgens war er eisern, zu dieser Tageszeit wurde gearbeitet und geschrieben: „Ich war eintausendfünfhundert und siebenundvierzig Mal in meinem Leben betrunken, aber nie am Morgen.“

Dementsprechend – und auch dem Zauber der Nacht geschuldet – ist die Zeit, nachdem die Sonne sich verabschiedet hat, sicher die beste Zeit diesen Drink zu geniessen. Ich denke an klassisches Barfeeling, am besten in New York. Ein toller Jazz-Pianist mit einem Repertoire, welches einen animiert zu träumen. Dunkles verrauchtes Ambiente, Stimmengewirr, das einen in Trance wiegt und das Gefühl von einer Zeitmaschine, in eine andere Ära katapultiert zu werden. Der Manhattan ist übrigens nichts ohne seine magische Kirsche. Er beginnt als rauer und kräftiger Klassiker, hart und gnadenlos. Nach dem zweiten Schluck kehrt etwas Wärme ein. Der rote Vermouth macht sich bemerkbar, seine Süsse und die Kräuter werden lebendig und der Whisky lädt zum Tanz ein. Mit jedem Schluck aus dem mit Eis gefüllten Whiskeyglas gewinnt der Manhattan an Nuancen und Frische. Nach den ersten Schlucken beisse ich in die Maraschino-Kirsche und lasse sie im Mund noch eine ganze Weile am Leben. Ich nehme einen Schluck des eiskalten bittersüssen Drinks, er trifft auf die Kirsche und streichelt meinen Gaumen. Etwas harmonisch Süsslich-frisches belebt meine Träume und lässt mich in andere Dimensionen driften. Sicher ist es ein sehr schmaler Grat zwischen hemmungslosem Genuss und hemmungslosem Abschweifen. Ich empfehle immer, aufmerksam dem Drink zuzuhören und auf die Kirsche zu achten. Sobald diese nicht mehr schmeckt, ist es an der Zeit sich zu verabschieden – dann ist der Zauber vorbei.

parkhyattzurich.com

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