Sebastian Marbacher gehört zu einer jungen Garde bedeutender Schweizer Gestalter. Seine Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet und bewegen sich im Spannungsfeld zwischen (Produkte-)Design, Kunst und Architektur.

Er gestaltet Möbel, Produkte und Räume. Dabei sind seine Objekte nahbar, immer alltagstauglich und oft von minimalistischer Linienführung, ohne das Spielerische zu verlieren. Sebastian Marbacher ist ein kreativer Tüftler, ein Ästhet. 1986 in Luzern geboren, absolvierte er zunächst eine Ausbildung zum Konstrukteur, danach folgte sein Studium in Industriedesign an der Zürcher Hochschule der Künste. 2013 gründete er in Zürich das Studio Sebastian Marbacher und arbeitet, neben eigenen Projekten, erfolgreich mit namhaften Unternehmen und Institutionen zusammen. Ein Gespräch über Reduktion, Stühle und die künstlerische Fragestellung.

Sebastian, beginnen wir am Anfang: Welche Erinnerungen wertest du als prägend für deinen kreativen Werdegang?
Vielleicht, dass mein Vater immer eine Werkstatt hatte und oft mit Holz gearbeitet hat. In einem Haus, in dem wir gelebt haben, waren Küche, Werkbank und Feuerstelle in einem Raum. Kochen, gemeinsam am Tisch sitzen und Werken gehören bis heute für mich zusammen.

Apropos zusammensitzen – Stühle sind in deinem Schaffen sehr präsent …
Das hat sich über die Jahre so ergeben. Bei mir stand nie zu Beginn die Idee, einen Stuhl zu entwerfen. Im Verlauf des Suchens komme ich aber immer wieder auf das Thema «sitzen». Stühle haben für mich zudem eine gute Grösse als Objekt. Man kann sie tragen, drehen und in einem erfassen. Diese Einfachheit und Eigenständigkeit von Stühlen hat etwas Spannendes für mich.

Einfachheit als Stichwort – deine Arbeiten sind minimalistisch und doch haben sie etwas Spielerisches an sich …
Mich interessiert tatsächlich Reduktion, aber nicht bis zu dem Punkt, an dem nichts mehr Eigenständiges übrig bleibt. Mich interessiert Reduktion, um das herauszuschälen, was für mich wesentlich erscheint. Klare Linien und stringente Geschichten.

Wie zum Beispiel deine Basic Chairs?
Ja, tatsächlich stand am Anfang die Frage, was braucht es zum Sitzen? Wie minimal darf Sitzfläche und Rückenlehne sein? Zusätzlich reizte mich der Gedanke, eine Geometrie zu finden, die das Stapeln ermöglicht. Der Entwurf hat sich dann über mehrere Prototypen entwickelt.

Ursprünglich Konstrukteur, Maschinenbauzeichner, heute Gestalter und Szenograf – wie hat sich deine Fragestellung über die Jahre verändert und was fordert dich?
Im Maschinenbau sucht man immer die günstigste und einfachste Lösung. Dieses Tüfteln hat mir sehr viel Spass gemacht. Heute aber geht es für mich darum, zuerst einmal komplett aufzumachen. Alles ist möglich und ich arbeite oft am Anfang in sehr vielen verschiedenen Varianten. Das ist eine ganz andere Herausforderung. Was mich interessiert und fasziniert, ist auch die Fragestellung, was ist funktional. Ist die Funktion an erster Stelle oder kann ein Objekt auch zuerst einmal kommunizieren oder sogar irritieren?

Und was macht eine Aufgabe ganz besonders spannend für dich?
Schwierige Frage, ich denke, die Abwechslung und Vielseitigkeit der Projekte ist am wichtigsten. Für mich immer wieder spannende Herausforderungen sind ortsspezifische Projekte. Neue Orte und Menschen und Rahmenbedingungen.

Upcycling von Materialien ist immer wieder Thema bei deinen Objekten. Wie wichtig ist Nachhaltigkeit?
Auf der einen Seite bin ich Gestalter, auf der anderen Konsument. In beiden Rollen treffe ich Entscheidungen, in denen Überlegungen zur Nachhaltigkeit mitschwingen. Zum Beispiel über Materialien, kurze Transportwege oder Produktionsstätten. Der Basic Chair wird für Schweiz und Region in Italien produziert, für ein japanisches Label in Japan selbst.

Im Angesicht des Überflusses – kommt man als Produktgestalter nicht grundsätzlich ins Grübeln?
Neue Produkte zu gestalten, steht natürlich in dieser Kontroverse. Man sieht die Abfallberge und die Dinge, die nicht repariert werden können. Entwickelt man aber ein neues Produkt, das dreimal ressourcen- oder energieschonender hergestellt oder betrieben werden kann, dann ist das ein positiver Schritt.

Kommen wir zu deinem jüngsten Projekt. Man munkelt, es habe zwei Räder?
Richtig. Es ist eine Kollaboration, über die ich aber noch nicht allzu viel verraten darf. Es geht um ein Velo, das die Vorteile von kleinen Rädern mit den Vorteilen eines grossen Gepäckträgers vereint. Ich bin der Überzeugung, dass das «Fahrrad» als Überbegriff noch sehr viel Potenzial bietet, wenn wir unsere Veränderung in der Gesellschaft mit den Innenstädten und vielen Menschen anschauen.

Du arbeitest auch immer wieder mit deiner Partnerin und Textildesignerin Mara Tschudi zusammen. Wie geht das zusammen Leben und Arbeiten als zwei Kreative?
Seit ich Mara kenne, sind wir im Austausch in beide Richtungen. Ihre Farbenwelt spielt eine wichtige Rolle in meinen Projekten. Wir kommen aus verschiedenen Disziplinen und ergänzen uns sehr gut in dem Sinne, weil meine Arbeit sehr analytisch, geplant und hergeleitet ist. Und menschlich ist es extrem wertvoll, dass wir einfach das teilen können und verstehen, worum es bei dem anderen geht.

Zum Abschluss: Wie viele Möbel sind bei euch zu Hause selbst entworfen?
Einige. Und es gibt eine lange Liste mit unverwirklichten Projekten (lacht). Unser Interieur ist eigentlich eine  konstante Baustelle. Für mich ist das auch eine Art Feldforschung ohne den Druck, ein Ergebnis präsentieren zu müssen. Und dieses komplett frei sein kannst du nur, wenn du weisst, dass es auch scheitern darf.

Photos Copyrights: Dominik Zietlow / studio sebastian marbacher

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