Der Kater spielt Foul

„Ich kann nicht mehr!“  Mit diesen total aus dem Zusammenhang gerissenen und somit unverständlich theatralischen Worten betrat Adam, mein menschlicher Dosenöffner, unser trautes Heim, fetzte seine Laptoptasche in die erstbeste Ecke und verschwand in den Tiefen unseres Gartens.

Im schräg einfallenden Licht tanzten Staubpartikel, die Luft schien irgendwie elektrisiert.

Ich liess ihm ein paar Minuten, bevor ich ihn in der Hängematte bei unserer riesigen Blutbuche aufstöberte. Dieser Baum hatte schon des öfteren Abschnitte und Abzweigungen in unser beider Leben begleitet. In der Rinde fanden sich zahlreiche Markierungen, Herzen, Namen von verlorenen Lieben und Daten von Lebensabschnitten, eingeritzt.

Stumm setzte ich mich zu seinen Füssen und wartete. Schliesslich begann er mit geschlossenen Augen und schwacher Stimme zu sprechen. „Diese Arbeit erfüllt mich nicht! Der ständige Stress, Aufregungen wegen Kleinigkeiten, permanent der Kritik der Kollegen und Vorgesetzten ausgesetzt – ich habe den ganzen Tag das Gefühl hinterherzuhecheln.

Noch dazu habe ich mir diese Doppelbelastung mit der Elite-Ausbildung an einer der renommiertesten Institute in der Schweiz aufgehalst. Das verlangt einem wirklich alles ab! Ich wollte unbedingt weiterkommen, aber meine Talente werden in keinster Weise geschätzt, ja nicht einmal benötigt. Ich habe heute gekündigt. Ich möchte das Leben geniessen, reisen, einen Marathon laufen, malen oder ein Buch schreiben. Ich könnte Gesangsunterricht nehmen, ich hatte immer einen sehr schönen Tenor – warum nicht!“

Entsetzt starrte ich ihn an, meine Ohren legten sich gefährlich an und mein Schwanz peitschte nervös ins Gras! Sein  Gejammer hatte meine Toleranz- und Akzeptanzgrenze gleichzeitig zum Mond geschossen.

Er will ein erfülltes Leben führen, dachte ich verstört. Wozu?

Eine unerträgliche Vorstellung, wenn Adam den ganzen Tag zu Hause rumhängen und laut grölend meine gewohnten Abläufe stören würde. Länger als 2 Tage halte ich dieses, ständig sinnlose Thesen vertretende, Menschenwesen nicht in meiner Nähe aus.

„Du warst doch bisher glücklich! Denke einfach ein wenig darüber nach, wo du deine Linie ziehst und auf welche Dinge du nicht verzichten willst“, sagte ich verständnisvoll.

Für mich dachte ich, dass essen, schlafen und ab und zu joggen doch genug sein müsste für so einen schlichten Amöben-Zellenhaufen.

Schliesslich legte ich mich voll ins Zeug und überzeugte ihn, dass er eine andere Arbeit suchen müsse. Jeder Mensch brauche ein Ziel und Erfüllung kriege man nicht geschenkt – man müsse sie sich hart erarbeiten! Man könne auch einiges miteinander verbinden. Zu Hause rumhängen gehe gar nicht, denn schliesslich habe er ein Heim zu erhalten und trage Verantwortung für einen verwöhnten Kater, dessen Lebensstandard nun wirklich nicht verhandelbar sei.

Mit dieser Breitseite liess ich ihn in der Hängematte zurück, schlenderte zuversichtlich und erhobenen Haupts ins Haus und machte mich daran, Stellenanzeigen rauszusuchen und gefinkelte Bewerbungen zu schreiben, während er mit einem Messer am Baumstamm  rumkratzte.

Wie es ausgegangen ist? Dank meiner Bewerbung hat er nahtlos einen neuen Job gefunden. Um seine Lust zu reisen zu befriedigen, fährt er nun jeden Tag laut singend eine Stunde ins neue Büro auf dem Land. Nach der Arbeit geht er dort im Grünen gleich joggen und trainiert für einen Marathon, den er nie laufen wird. Wenn er dann total erschöpft heimkommt, schicke ich ihn duschen und nehme das Abendessen vom Luxus-Lieferservice entgegen.

Wir führen ein glückliches, erfülltes Leben – ich auf jeden Fall!

 

Copyright Illustration: Manuela Dona

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